Mastermind der Jazz-Funk-Kultband Defunkt: Joseph "Joe" Bowie, geboren 1953 in St. Louis.

Foto: Jean-Luc Karcher

Wien – Die Protagonisten des New Yorker Postpunk-Underground der späten 1970er-Jahre wie DNA, Mars, Liquid Liquid, Lydia Lunch / Teenage Jesus And The Jerks, Bush Tetras oder James Chance & The Contortions firmierten unter dem Etikett "No Wave" oder "Mutant Disco": Sie spielten einen chaotischen Freistillärm aus Versatzstücken des Funk, Jazz und Punk, der jenseits konventioneller Harmonik und mit Hang zur Kakofonie die überlieferten Rocktraditionen vertreiben wollte.

1978 dokumentierte Produzent Brian Eno dieses Trash-Gebräu auf dem Kompilationsalbum No New York. Im selben Jahr mischte erstmals auch der damals 24-jährige Posaunist und Sänger Joseph Bowie in der Szene mit: Der aus St. Louis stammende Bowie ist der jüngere Bruder von Free-Jazz-Legende Lester Bowie, der einst die Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM) und das Art Ensemble Of Chicago mitbegründete. Ab 1971 tourte Joseph Bowie mit Oliver Lake und Dr. John in Europa, zwei Jahre später zog er nach New York, wo er u. a. mit Ornette Coleman und Oliver Lake arbeitete, aber auch im Artpunk-Umfeld der Chance-Combo James White & The Blacks. Wegen Vertragsstreitigkeiten stieg er bald aus und gründete mit den übrigen Gruppenmitgliedern Defunkt: mit Bassistin Kim Clarke, den Gitarristen Ronnie Drayton und Bill Bickford, dem Trompeter John Mulkerin und dem Schlagzeuger Kenny Martin.

Wenn Defunkt in den kommenden Tagen auf der "Roots Edition"-Tour die heimatlichen Tanzböden zum Kochen bringen, sind aus der Urbesetzung noch Clarke – die Queen unter den Funkbassistinnen – und Mulkerin mit dabei. Die Felle verhaut Garry "Gman" Sullivan. Gitarrist ist Kelvyn Bell, der u. a. in der Black Rock Coalition und mit dem Poeten und Black-Power-Aktivisten Amiri Baraka zusammenarbeitete und mit seiner eigenen Band Kelvynator so etwas wie ein Bindeglied zwischen avanciertem Jazz, Free Funk, Rap und Living-Colour-Hardrock ist.

Zu erwarten sind Stücke von den klassisch gewordenen ersten drei Alben, Defunkt (1980), Strangling Me With Your Love (1981) und Thermonuclear Sweat (1982). Insgesamt haben die Grenzgänger 20 Alben veröffentlicht, zuletzt erschien 2016 Live At Channel Zero. (Gerhard Dorfi, 14.1.2017)