In der Gala von Alex und dessen Droogs aus dem Film "A Clockwork Orange" inszenieren sich The Flaming Lips aktuell. Wie das mit ihrem neuen Album zusammenhängt, das wissen nur sie selbst.

Foto: Pias

Wien – Es gibt da diesen Cartoon, da liegt ein Einhorn auf der Couch beim Psychiater. Der sagt zum Einhorn: "Sie müssen mehr an sich selbst glauben."

Die US-Band The Flaming Lips überrascht auf ihrem neuen Album Oczy Mlody mit dem Song There Should Be Unicorns, es sollte Einhörner geben. Überraschend daran ist der Zweifel an deren Existenz. Denn die Karriere der Formation aus Oklahoma steht im Zeichen eines drogeninduzierten Paralleluniversums, in dem Einhörner Kaffee trinkend durch den regenbogenfarbigen Alltag springen. Hü hott!

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Drogen und die Flaming Lips, die kleben aneinander. Drug Machine hieß eine frühe Single der 1983 gegründeten Band. Viele Jahre später sangen sie I Want To Get High But I Don't Want Brain Damage. Ein erstes Zeichen der Schwäche, nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste jeden Tag einen Weltraumspaziergang auf dem Sofa unternehmen zu wollen. Zwar schwört Wayne Coyne Stein und Schwein, dass er nie in seinem Leben Heroin genommen habe. Das kann ihm glauben, wer über Glauben verfügt. Doch da bleiben genug andere Substanzen, die ihn in die entferntesten Winkel seiner Psyche führen können. Das Werk des immerhin 56 Jahre alten Chefwirrkopfs der Band belegt derlei Ausflüge, die Koketterie mit dem Thema ist omnipräsent.

Das zeitigte zuletzt schwer verdauliche Veröffentlichungen. Experimentell nannte man das beschönigend. Die Band verlor dabei das Gleichgewicht. Die Balance von Experimentellem, von Popelementen und Rockmusik im Zeichen einer intensiv zelebrierten Psychedelik unter Zuhilfenahme der Studiotechnologie ergab davor Meisterwerke wie The Soft Bulletin. Es bescherte den Flaming Lips 1999 den Durchbruch, mit Yoshimi Battles The Pink Robots (2002) legten sie erfolgreich nach.

Seitdem zählen The Flaming Lips zu den großen Bands des Alternative Rock, die ihre Fans mit liebevoll inszenierter Durchgeknalltheit entzücken. Etwa wenn Wayne Coyne in einer riesigen Plastikblase in Erlöserpose über das Publikum rollt.

Fwends: Freunde

Eine Altlast aus der experimentellen Phase findet sich nun auf Oczy Mlody wieder. Miley Cyrus speichelt im finalen Lied des Albums ins Mikrofon. We A Family heißt es, kann man vergessen, schadet dem Album nicht, nützt ihm nicht. Die hysterische Pop-Kaulquappe mit dem Rolling-Stones-Schlecker war einer jener Acts, die die Bands zuletzt umarmte, als sie im Zuge der sogenannten Fwends-Alben Freunde eingeladen hatte, um Arbeiten von Pink Floyd oder den Stone Roses in ihrer Gesamtheit zu covern – oder anderen Unfug aufzunehmen.

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Am Unfug halten Wayne Coyne und seine Mitstreiter weiter fest. Doch die aktuellen Resultate erfreuen mit einer neuen Zugänglichkeit. Zuerst ist Oczy Mlody ein langsames Album. Einen Drogenvergleich verkneifen wir uns, man versteht es auch ohne. Mit simplen Melodien, Magenheberbässen und dem mitunter glockenhellen Gesang Coynes beschwört es mitunter ihr Opus magnum The Soft Bulletin. Doch Oczy Mlody ist träger. Zwar inszeniert sich die aktuelle Besetzung als wilde Gang, die man aus Stanley Kubricks Verfilmung von Anthony Burgess' Klassiker A Clockwork Orange kennt. Doch anstatt Unschuldige zu tollschocken, echolotet man die Tiefen des Raums aus, appliziert hübsche Melodien, schichtet Keyboardspuren übereinander, legt ein paar Basslinien und Plucker-plucker-Geräusche drauf. Oder ein sehnsüchtiges Piano, das ein Lied wie Sunrise (Eyes Of The Young) tatsächlich wie ein verloren geglaubtes Fundstück von The Soft Bulletin klingen lässt.

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Das Album erinnert in seiner Machart ein wenig an Veckatimest von Grizzly Bear, nur dass Coyne und Co natürlich fleischfressende Stehpinkler aus dem Hinterland und keine veganen Brooklyn-Bubis sind. Für Oczy Mlody haben sie die Muskeln des Studios aufgepumpt und stehen gleichzeitig mit beiden Beinen auf der Bremse.

Müßiggang im All

Sowohl Veckatimest als auch Oczy Mlody durchweht der Geist von Brian Wilson, dem Genie der Beach Boys. Der war einer der Ersten im Pop, die sich weit hinausgewagt haben und nicht ganz unbeschadet wiederkehrten. Seine soziale Verträglichkeit mag darob bescheidener geworden sein, seine Kunst hat darunter nicht gelitten, sie hat davon profitiert, ist reicher geworden.

Weit draußen, das ist mittlerweile die Heimat der Flaming Lips: Wayne's World. Oczy Mlody belegt, dass dort nicht nur gegen Monster, Roboter und Aliens gefochten wird, sondern dass es dort Phasen der Kontemplation gibt, Zeiten, die dem Schöngeistigen und dem gepflegten Müßiggang gewidmet sind. Gut zu hören, gut anzuhören. (Karl Fluch, 17.1.2017)