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Kürzlich stellte Bundeskanzler Christian Kern seinen "Plan A" vor, in dem er auch Tablets für die Schule forderte.

derStandard.at

STANDARD: Bildungsministerin Sonja Hammerschmid will Ende Jänner ihre Strategie zur Förderung der digitalen Kompetenz im Bildungssystem vorstellen. Welche Punkte sind für Sie dabei zentral?

Brandhofer: Bisher hat die große Verbindlichkeit für dieses Thema gefehlt. Es hat viele Projekte in diesem Bereich gegeben mit Vorzeigeschulen, in vielen Schulen aber ist digitale Kompetenz kein Thema. Dank dieser Vorzeigeschulen liegt Österreich immerhin im Mittelfeld bei der Medienkompetenz. Diese neue Verbindlichkeit könnte so gesehen ein großer Fortschritt sein. Besonders positiv ist auch, dass in der ersten Ankündigung der Ministerin auch die Begriffe Programmieren und informatische Bildung gefallen sind.

STANDARD: Bei digitaler Kompetenz geht es ja nicht nur um Programmieren, und es soll bereits in der Volksschule damit begonnen werden. Worauf kommt es da an?

Brandhofer: Wichtig ist ein maßvoller Umgang an der jeweiligen Schulstufe beziehungsweise bereits in der Kindergartenpädagogik, wo die jetzige und künftige Lebens- und Arbeitswelt der Schüler berücksichtigt wird. Da gibt es andere Länder, die das gut vormachen. Neben informatischer Bildung und Programmieren gehören Medienpädagogik und technikethische Aspekte dazu. Die Sorge, die ich habe, ist, dass – wie bei vielen anderen Projekten auch – der Erfolg weiterhin sehr stark von den unterschiedlichen Stakeholdern abhängen wird.

STANDARD: Wie gut sind die Lehrer darauf vorbereitet?

Brandhofer: Besser, als man glaubt. Wir haben selber Untersuchungen zu den Anwendungskompetenzen der Lehrenden angestellt. Und hier zeigt sich, die digitale Kompetenz ist ganz gut ausgeprägt. Der große Gap ist in der pädagogischen Kompetenz. Die Lehrer können sehr gut mit dem Computer umgehen, beim Transfer im Unterricht, da bestehen Defizite. Die digitalen Kompetenzen sind aber nicht primär altersabhängig.

STANDARD: Und wie gut sind Volksschulen dafür ausgestattet?

Brandhofer: Die Ausstattung ist nicht mehr nur eine finanzielle Frage, sondern auch eine Richtungsentscheidung – Tablets, Smartphones oder Hybridgeräte –, und es ist auch die Entscheidung, in welches Ökosystem es gehen soll. Das sind sehr grundsätzliche Fragen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten über Schulbuchaktionen und Ähnliches. Es gibt ein sehr schönes Modell dazu, das Will-Skill-Tool. Das sind die drei Punkte, mit denen man den Einsatz von digitalen Medien beschreiben kann. Tools und Skills sind klar. Das Wollen, also die Motivation der Lehrer, das auch im Unterricht einzusetzen, wird das Entscheidende sein. Denn ein maßvoller Umgang mit digitalen Medien erfordert nicht unbedingt eine Rieseninvestition. Schulen sollen sich aber überlegen, wie die Mittel gescheit investiert werden können und wie die Infrastruktur tatsächlich von den Schülern und nicht vordergründig von den Lehrern genutzt wird.

STANDARD: Vieles, was unter digitaler Kompetenz unterrichtet werden soll, hat mit Digital wenig zu tun: Kritisches Hinterfragen, Bewerten von Quellen ...

Brandhofer: So ist es. Es geht um Bewertungskompetenzen. Die Erziehung zu kritischen und mündigen Bürgern ist eigentlich etwas Selbstverständliches. Etwas bewerten zu können ist unabhängig vom Medium, über das es transportiert wird. Das ist vielleicht auch ein gesellschaftliches Defizit, die Obrigkeitshörigkeit ist schon gut verankert bei uns.

STANDARD: Wie soll digitale Kompetenz vermittelt werden – integriert in bestehende Fächer oder als eigenes Fach?

Brandhofer: Das ist eine Frage, die auch in der Community intensiv und kontrovers diskutiert wird. Beides hat Vor- und Nachteile. Beim Unterrichtsprinzip gibt es das Bonmot des Paris-Hilton-Effekts: schön zum Anschauen, aber ohne erkennbaren Effekt. Beim eigenen Fach ist die Kritik, dass das nur einige Experten unter den Lehrern machen, digitale Medien aber zu wichtig dafür sind. Beides, aber maßvoll, ist meiner Meinung nach das Optimale. Denn man braucht schon exklusive Flächen, um sich damit auch intensiv auseinandersetzen zu können. Wenn ich mich beispielsweise mit Facebook und den Auswirkungen eines Postings auch auf mein künftiges Leben beschäftige, dann braucht es auch ein Grundverständnis von Datenbanken. Darüber hinaus ist es auch ein Thema, das in allen Fächern bis hin zu Bewegung und Sport behandelt werden kann. (Gudrun Ostermann, 17.1.2017)