In der Regierung – hier Außenminister Sebastian Kurz, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Bundeskanzler Christian Kern und Innenminister Wolfgang Sobotka (von links) – überbietet man einander derzeit mit Vorschlägen für mehr Strenge gegen Ausländer.

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Vizekanzler Reinhold Mitterlehner tut es. Innenminister Wolfgang Sobotka sowieso. Und auch Bundeskanzler Christian Kern übte sich zuletzt in Ankündigungen von mehr Härte: Zum Thema Ausländer, Flüchtlinge und Einwanderer kommen von österreichischen Regierungspolitikern – großteils aus der ÖVP, aber nicht nur – nur noch Einschränkungs- und Abwehrpläne.

Montagabend hatte diesbezüglich in der "ZiB 2" Innenminister Sobotka einen (weiteren) großen Auftritt. Um Werbung für die von Mitterlehner und ihm geforderte Halbierung der Asylantragsobergrenze und deren verfassungsrechtliche Verankerung im Asylgesetz zu machen, pries er die Meriten der Internierung von Flüchtlingen.

"Wartezonen" – ein Euphemismus

Überzählige Asylsuchende – laut ÖVP-Plänen in diesem Jahr alle ab dem 17.001. – sollten dann in Österreich in Lagern geparkt werden, die sie nur in Richtung Heimat, also zwecks Wiederausreise aus Österreich, verlassen dürfen. Freiheitsentzug gäbe es in derlei "Wartezonen" nicht, sagte Sobotka zu Moderator Armin Wolf, der angesichts eines solchen Euphemismus trotz aller Routine einigermaßen befremdet wirkte.

Denn, natürlich: In den "Wartezonen" würden Asylsuchende eingesperrt – was sonst? Menschenrechtlich wäre das ein klarer Verstoß – und diesbezüglich nur graduell von den derzeitigen ungarischen Plänen zu unterscheiden, laut denen Flüchtlinge ihr gesamtes Asylverfahren in Haft abwarten sollen.

Laffe Kritik aus der SPÖ

Doch kommt derlei auf der Hand liegende Kritik anderen Regierungspolitikern, etwa aus der SPÖ, über die Lippen? Nein. In der Kanzlerpartei stellt man sich – zu Recht – gegen die "Zahlenspiele" des Koalitionspartners mit der Obergrenze. Und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil spricht sich mit dem – ebenfalls zutreffenden – Argument gegen Sobotkas "Wartezonen" aus, dass dann quer durch Österreich Massenlager errichtet würden; übrigens laut Sobotkas Plänen am besten in derzeit leerstehenden Kasernen.

Aber das Ausmaß der Entrechtung, das mit derlei Maßnahmen einhergehen würde, ist kein Thema. Die Rechte von Flüchtlingen, Ausländern und Einwanderern sind unwichtig geworden, nur noch Ballast im Wettstreit um die besten fremdenfeindlichen Ideen. Für die leidigen Obergrenzen-Diskussionen gilt das ebenso wie für die jüngsten, von Vizekanzler Mitterlehner kommenden Vorschläge für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und Fußfesseln für Gefährder.

Aus dem FPÖ-Programm

Diese Vorschläge eint, dass sie ursprünglich aus FPÖ-Programmen stammen – wenn FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache klagt, andere Parteien würden freiheitliche Forderungen zurzeit geradezu inflationär übernehmen, so ist ihm zuzustimmen. Und sie sind menschenrechtswidrig, wie zuletzt Amnesty-Geschäftsführer Heinz Patzelt feststellte.

Die Fußfessel für Gefährder ist menschenrechtswidrig, weil jede Form der Bestrafung, sei es Strafhaft oder ein gelinderen Mittel, nur nach einer rechtskräftigen Verurteilung ausgesprochen werden darf. Außerdem: Trug nicht einer jener Terroristen, die im Juli 2016 in einer Kirche in der Normandie einen 85-jährigen Priester töteten, eine Fußfessel? An der grausamen Tat hinderte diese ihn nicht.

Willkürliches Kopftuchverbot

Das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst ist menschenrechtswidrig, weil es dem Recht auf Privatheit widerspräche. Im Lichte dieser Bestimmung wäre es genauso willkürlich, in Ämtern und Schulen den Minirock zu untersagen. Definiert man das Kopftuch wiederum als religiöses Symbol, so wären sämtliche religiösen Symbole im öffentlichen Dienst zu untersagen.

"Wartezonen", Fußfesseln für Gefährder, Kopftuchverbot: Dass derlei von verantwortungstragenden Politikern gefordert wird, ohne sich öffentlich auch nur einen Deut um die menschenrechtlichen Folgewirkungen zu kümmern, markiert einen neuen Tiefpunkt in der innenpolitischen Diskussion. (Irene Brickner, 17.1.2017)