Bild nicht mehr verfügbar.

"Ich dachte, in Deutschland gilt wie in anderen Ländern auch die Unschuldsvermutung": Sergej Lawrow zu den Hackervorwürfen.

Foto: AP Photo/Ivan Sekretarev

Neues Jahr, alter Streit: Die Jahrespressekonferenz von Russlands Außenminister Sergej Lawrow wurde zu einer Generalabrechnung mit dem Westen. Gewohnt ohne jegliche diplomatische Zurückhaltung kritisierte er am Dienstag europäische "postchristliche Werte" und die "zerstörerische" Einmischung des Westens in fremde Angelegenheiten. Zugleich prognostizierte er das Ende der "Allmacht der Liberalen".

In dieser Frage setzt Moskau offensichtlich auch auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump, den Lawrow erneut von allen Anschuldigungen der Presse und der US-Geheimdienste freisprach. Der Vorwurf, dass Russland Erpressungsmaterial gegen Trump in der Hand habe, stamme von einem "flüchtigen Gauner", wie Lawrow den untergetauchten Ex-MI6-Agenten Christopher Steele nannte, der die Geschichte über Trumps Moskau-Kontakte lanciert haben soll.

Beweise für Hackerangriffe

Auch deutsche Ängste vor einer russischen Einmischung in den bevorstehenden Bundestagswahlkampf wischte Lawrow fort: "Ich dachte, in Deutschland gilt wie in anderen Ländern auch die Unschuldsvermutung." Es müsse also nicht Russland etwas beweisen, vielmehr müssten diejenigen, die von Hackerangriffen sprächen, Beweise dafür liefern, dass sie von Moskau gesteuert würden. "Das Gezeter um die Gefährdung der Cybersicherheit ist ein Zeichen für Doppelmoral", sagte Lawrow. Russland habe schließlich schon vor langer Zeit internationale Zusammenarbeit vorgeschlagen, während der US-Geheimdienst NSA noch mit dem Abhören Angela Merkels beschäftigt gewesen sei.

Zusammenarbeit könne es aber nur auf Augenhöhe geben, erklärte ein sichtlich selbstbewusster Minister. Für die russische Führung war 2016, das konnte man dem Ton der Pressekonferenz schnell entnehmen, ein erfolgreiches Jahr: In Syrien fühlt sich Moskau mit seiner harten Gangart bestätigt, der Brexit schwächt die EU, für die Lawrow nur Spott übrig hatte, und Trump soll für die Rückkehr der Realpolitik auf die Weltbühne sorgen. In der Außenpolitik gehe es nicht um "Missionarismus", sondern um die Wahrung staatlicher Interessen, dozierte Lawrow.

Vorschusslorbeeren für Trump

Auch wenn sich die russische Führung mit einer Bewertung Trumps zurückhalten will, solange sie ihn nicht hat im Amt agieren sehen, verteilte Lawrow schon ein paar Vorschusslorbeeren: "Man muss betonen, dass Trump will, dass jedes Land selbst für seine Entwicklung verantwortlich ist. Diese Position vertritt auch Russland." Trump habe eben andere Ansichten über die Außenpolitik als seine Vorgänger, fügte er hinzu. Das ist durchaus als Lob gemeint, denn bei der Pressekonferenz ließ Lawrow kaum eine Möglichkeit aus, auf das Team des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama einzuschlagen.

So werde Trumps Ansatz bei der Terrorbekämpfung "von Russland begrüßt", stellte Lawrow klar. Schließlich rücke Trump dabei verbal von der Doppelmoral ab, die bisher die Politik der US-Regierung geprägt habe. Gegen Terroristen helfe nur die Demonstration von Stärke, das habe das Eingreifen der russischen Luftwaffe in Syrien gezeigt.

Übereinstimmung gibt es – kein Wunder – bei der Bewertung der Nato, die Trump gerade als "obsolet" bezeichnet hat und deren Osterweiterung seit langem Aversionen in Moskau hervorruft. Eine zusätzliche US-Brigade in Osteuropa sei "eine schlechte Idee", sagte Lawrow.

Sanktionen gegen Russland

Über das von Trump angekündigte mögliche Ende der Sanktionen spekulierte er hingegen nicht, stellte lediglich klar, dass dies nicht an die Reduzierung von Atomwaffen gekoppelt sein könne – auch das ein Zeichen der Stärke, denn im Kreml demonstriert man gern, dass die Sanktionen keinen Effekt haben.

Eine Steilvorlage dazu lieferte gerade erst Trumps Berater Anthony Scaramucci: Der kritisierte in Davos die Sanktionen als kontraproduktiv. Die Russen könnten Schnee essen, um zu überleben, sagte Scaramucci. Das sei im Prinzip richtig, "aber trotz allem bevorzugen die Russen keinen Schnee, sondern leckere heimische Delikatessen, die es dank der Sanktionen mehr und mehr gibt", frotzelte nun Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es scheint, dass der Westen laut Moskauer Interpretation damit zumindest auch eine gute Sache verschuldet hat. (André Ballin aus Moskau, 17.1.2017)