Landeshauptmann Markus Wallner und Landesrätin Katharina Wiesflecker präsentieren die schwarz-grüne Mindestsicherung in Vorarlberg.

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Bregenz/Innsbruck – Vorarlberg und Tirol sparen bei der Mindestsicherung. Eine Anpassung mit Augenmaß nennt der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (VP) die Mindestsicherung neu. Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) präsentierte am Dienstag gemeinsam mit Wallner ein "differenziertes Paket mit Verbesserungen, Verschlechterungen und Weiterentwicklung". Drei Millionen Euro sollen eingespart werden. Zuletzt wurden vom Land und den Gemeinden 37,5 Millionen ausgegeben.

Zeitgleich ging die Tiroler Landesregierung an die Öffentlichkeit. Ingrid Felipe, die grüne Landeshauptmann-Stellvertreterin, sprach von einer "Allianz der Vernunft". Zwar habe man bis zuletzt auf eine bundesweit einheitliche Regelung gehofft, doch nun sei zumindest im Westen eine gemeinsame Lösung erreicht worden. Insgesamt, so hofft die Tiroler Landesregierung, werde man durch die neue Regelung rund fünf Millionen Euro jährlich einsparen. Ausgaben 2016: 56 Millionen Euro.

Einig im Westen

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) machte kein Hehl daraus, dass man in erster Linie auf die durch den Zuzug von Flüchtlingen gestiegene Zahl an Mindestsicherungsbeziehern reagiert habe. Denn aktuell machen "Einheimische" nur mehr 51 Prozent der Bezieher in Tirol aus. 38 Prozent sind Menschen aus Nicht-EU-Staaten, also meist Asylberechtigte, der Rest sind EU-Bürger. Insgesamt ist die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in Tirol von 11.500 im Jahr 2010 auf über 17.000 gestiegen. Die neue Regelung sei auch an die Salzburger Lösung angeglichen. Dadurch entstehe im Westen ein einheitliches System, sagte Platter

Beide Regierungen lehnen eine generelle Deckelung ab. "Es wird keine generelle und undifferenzierte Deckelung geben", sagt die Vorarlberger Soziallandesrätin Wiesflecker. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern halte man sich in Sachen Gleichbehandlung an Verfassung und EU-Recht. Die Initiative zur Westlösung ging von Vorarlberg aus. Die Tiroler Grünen waren zunächst skeptisch, stimmten sich hinsichtlich der Regelung aber vorab mit dem grünen Bundesvorstand ab.

Vorarlberg kürzt beim Wohnen

In Vorarlberg bezogen im Vorjahr 16.305 Menschen Mindestsicherung. Fünf bis sieben Prozent davon sind über die Jahre "verfestigt", wie der Fachbegriff lautet. Sie haben durch Alter oder Krankheit und schlechte Qualifikation keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt. Ein Drittel der Beziehenden sind Menschen zwischen 18 und 30, "durchwegs sogenannte Einheimische" (Wiesflecker) mit minimaler Schulbildung.

Seit 2010 stieg die Anzahl der Menschen in Mindestsicherung um 57 Prozent, die Ausgaben des Landes und der Gemeinden auf 37,5 Millionen Euro. Die Steigerung geht auf den Zuwachs an Flüchtlingen zurück, sind sich Wallner und Wiesflecker einig. Asylberechtigte sind in der Regel Vollbezieher, da nur wenige von ihnen Arbeit finden.

Weniger Geld für kinderreiche Familien

Gespart wird durch Kürzung bei den Mindestsicherungssätzen für Kinder und Begrenzung der Wohnkosten. Wie bisher werden die Wohnkosten in Vorarlberg durch Direktzahlung an die Vermieter abgegolten. Neu ist, dass die Geldleistung für Menschen in Wohngemeinschaften (ausgenommen Gemeinschaften von Kranken und Behinderten) gekürzt wird. Alleinstehende Flüchtlinge bekommen den vollen Satz nur, wenn sie in Wohngemeinschaften leben. Entscheidet sich ein Asylberechtigter für eine eigene Wohnung, werden nur die Kosten für ein WG-Zimmer ersetzt.

Bei Haushalten beträgt die Einsparung je nach Größe bis zu 20 Prozent. Bisher wurde der Wohnbedarf mit bis zu 529 Euro finanziert, jetzt sind es bei Alleinstehenden 503 Euro. Wiesflecker: "Das ist immer noch sehr hoch. Andere Bundesländer decken den Wohnbedarf pauschal mit 210 Euro ab."

Bei Kindern wird der Satz gestaffelt, ab dem vierten Kind reduziert sich die Mindestsicherung auf 126 Euro, ab dem siebenten auf 101 Euro. Der Familienzuschuss des Landes wird wie das Kinderbetreuungsgeld als Einkommen eingerechnet.

Hilfe beim Einstieg in den Arbeitsmarkt

Um die Einschnitte abzufedern, wird die Landesregierung verstärkt leistbare Wohnungen bauen und suchen, wurde erneut versprochen. Die Leerstandsmobilisierung, ein Modell der Wohnungssuche, blieb bisher aber erfolglos.

Den Einstieg ins Arbeitsleben will man durch Ausbildungsprojekte und Arbeitserprobung erleichtern. Das Ziel des Landeshauptmanns: "Die Leute so schnell wie möglich aus der Mindestsicherung herausführen." Ein erstes Projekt, "Start2work", konnte von 391 Teilnehmenden 91 vermitteln, 83 davon in den ersten Arbeitsmarkt.

Kritik an der Reform der Mindestsicherung, die ab 1. Juli gelten soll, kommt von der SPÖ Vorarlberg: Es werde bei den Ärmsten der Armen gespart. Wie die SPÖ fordert auch die Caritas eine Erhöhung der Mindestlöhne. Caritas-Direktor Walter Schmolly begrüßt, dass es zu keiner Pauschaldeckelung bei der Mindestsicherung kommt, will aber rasche Begleitmaßnahmen bei Wohnen und Arbeit. Dazu wird die Caritas im März ein Expertenhearing veranstalten.

Tirol: Mehr Sachleistung

Wichtigste Neuerung in Tirol ist die Deckelung der Wohnkosten, die künftig als Sachleistung vergeben werden und mit einem Zuweisungsrecht durch die Behörde verbunden sind. Die Leistungen werden anders als in Vorarlberg künftig nach Bezirken festgelegt und orientieren sich am jeweiligen Immobilienpreisspiegel.

Wird eine zugewiesene Wohnung nicht angenommen, kann das zum Entfall der Wohnleistung führen. Damit soll auch die Stadt Innsbruck entlastet werden, die gerade von Asylberechtigten als Wohnort bevorzugt wird. Künftig kann das Land – die Zumutbarkeit vorausgesetzt, wie Platter betont – Wohnungen in allen Bezirken zuteilen.

Zudem wird es, gleich wie in Vorarlberg, Kürzungen bei den Tarifen für Menschen in Wohngemeinschaften geben. Der neue Richtsatz dafür wird in beiden Ländern bei 473 Euro statt wie bisher bei 633 Euro liegen.

Integrationswille muss vorhanden sein

Eine weitere Maßnahme, die direkt auf Asylberechtigte abzielt, ist die Voraussetzung des Integrationswillens. Dazu wird der Tiroler Integrationskompass Bestandteil des Bezugssystems. Nur wer vorgeschriebene Deutsch-, Orientierungs- oder Wertekurse nachweisen kann, ist bezugsberechtigt. Wie genau das funktionieren soll, wird derzeit noch ausgearbeitet.

Darüber hinaus will man den Kreis der Anspruchsberechtigten einschränken. So reduziert sich der Anspruch auf Mindestsicherung ab einem zweiwöchigen Auslandsaufenthalt. Nicht erwerbsfähige EU-Bürger und Angehöriger anderer EWR-Staaten erhalten erst nach drei Monaten Aufenthalt Anspruch auf Leistungen, und auch nach drei Monaten haben nur jene Anspruch, die Arbeitnehmer oder Selbstständige sind. Damit soll vor allem der Zuzug von Hartz-IV-Beziehern aus Deutschland gebremst werden.

In beiden Ländern soll die Neuregelung ab 1. Juli gelten. (Steffen Arora, Jutta Berger, 17.1.2017)