Brauchtum und Tradition präsentiert die Volkstanzgruppe Hermagor. Auch Integration braucht Begegnung auf Augenhöhe.

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Klagenfurt – Während Städte weltweit wachsen, leben in vielen ländlichen Regionen immer weniger Menschen. Die Jungen ziehen zum Arbeiten und Studieren weg, immer weniger Kinder werden geboren, Schulen müssen wegen sinkender Schülerzahlen schließen und Ärzte sind trotz romantischer TV-Serien immer schwerer fürs Landleben zu begeistern. Rund 30 Prozent der Bezirke Österreichs und 40 Prozent der Gemeinden sind derzeit von einem Bevölkerungsrückgang betroffen.

Dazu gehört auch der Bezirk Hermagor in Kärnten mit rund 19.000 Einwohnern. Aus der 2600-Seelen-Gemeinde Kirchbach etwa sind zwischen den Jahren 2002 und 2014 mehr als 600 Einwohner weggezogen. Dass der Bevölkerungsrückgang dennoch bei "nur" sieben Prozent lag, ist den Zuwanderern aus dem Ausland zu verdanken. Dieser an sich erwünschte Gegentrend stellt allerdings hohe Anforderungen an die Integrationskraft der aufnehmenden Regionen und Gemeinden. Wie es gelingen kann, Migration als Chance für den ländlichen Raum zu nutzen, wird seit einigen Jahren in Hermagor erkundet.

Um potenzielle Zuwanderer für eine Region zu interessieren und sie dort zu halten, dafür sind natürlich Arbeitsplätze zentral – und es müssen Deutschkurse angeboten werden, sagt die Migrationsforscherin Marika Gruber von der FH Kärnten. "Darüber hinaus brauchen Migranten aber spezifische Informationen über die wichtigsten Angebote und Einrichtungen vor Ort." Aus dieser Überlegung heraus wurde in Workshops mit Migrantenvertretern zunächst der Informationsbedarf der Zuwanderer erhoben und darauf aufbauend das erste Regionshandbuch Österreichs erarbeitet.

Standard für Erstberatung

Im aktuellen Projekt "PRO-MIGRA" will man nun auf dieser Basis ein einheitliches, regional angepasstes Dienstleistungsangebot für Zuwanderer schaffen. Begleitend sollen Sensibilisierungsworkshops für Verwaltungsbedienstete durchgeführt und in Kooperation mit den Vertretern von Verwaltung, Schulen und AMS eine regional abgestimmte, alle Verwaltungsebenen übergreifende Checkliste zur Informations- und Beratungsleistung erarbeitet werden. "Diese Liste soll einen einheitlich hohen Qualitätsstandard bei der Erstberatung gewährleisten", sagt Marika Gruber.

Um die Kommunikation zwischen Zugewanderten und der sogenannten Aufnahmegesellschaft zu verbessern, sind außerdem fachlich begleitete Vernetzungstreffen zwischen Vertretern und Vertreterinnen der Migranten und den verschiedenen "Integrationsakteuren" geplant. Dass der gesamte Prozess "top-down" erfolgen sollte, steht für die Migrationsforscherin außer Frage: "Die regionalen Verwaltungsspitzen vom Bezirkshauptmann bis zu den Bürgermeistern müssen mit im Boot sein, wenn man positive Effekte sehen will."

In der Region Hermagor habe man damit kein Problem: Selbst FPÖ-regierte Gemeinden haben sich zu den Integrationsaktivitäten bekannt. Die Vorteile der Zuwanderung seien auch kaum von der Hand zu weisen: Immerhin verfüge trotz der massiven Abwanderung noch jede der sieben Gemeinden im Bezirk Hermagor über eine eigene Volksschule und eine gute ärztliche Versorgung.

Zuwanderung ist in dieser Region nicht erst in den vergangenen Jahren Thema geworden. Schon lange leben hier Menschen aus aller Welt, die meisten von ihnen kommen allerdings aus dem EU-Raum: dem angrenzenden Italien, den Niederlanden, der Slowakei und Deutschland. "Einige von ihnen kamen ursprünglich nur auf Urlaub und ließen sich dann hier nieder", weiß Gruber. "Und das sind durchaus nicht nur Rentner." Aber auch ehemalige Asylsuchende aus dem Kosovo oder Tschetschenien sowie Syrer und Afghanen bringen neues und fremdes Leben in die kleinen Kärntner Gemeinden.

Raum für Ängste

"Durch die Workshops sollen die Vertreter der migrantischen Communitys mit Stakeholdern der ansässigen Bevölkerung zusammenkommen, Bedürfnisse und Ängste artikuliert und so letztlich Barrieren und Vorbehalte abgebaut werden", sagt Gruber. Die wissenschaftliche Prozessbegleitung fördere eine Begegnung auf Augenhöhe und wohl auch den Mut zu einem maßvollen kulturellen Wandel, ohne den das Zusammenleben kaum gelingen kann. Die Begleitmaßnahmen können natürlich nur dann wirken, wenn Arbeitsplätze vorhanden sind bzw. geschaffen werden. In Hermagor sieht die Situation nicht so schlecht aus: Im Tourismus, in der Bau- und der Holzwirtschaft gibt es Jobs, zudem bemüht man sich, Betriebe aus dem nahen Italien in die Region zu locken. (Doris Griesser, 22.1.2017)