Das vergangene Jahr 2016 hat zwei besonders spannende Wahlen gebracht. Österreich hat im insgesamt dritten Anlauf doch noch ein neues Staatsoberhaupt gewählt. In den USA hat Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewonnen – trotz sexistischer, rassistischer und anderer Ausfälle bzw. mit dem proklamierten Kampf "gegen das Establishment" und für "die vergessenen Männer und Frauen".

In beiden Ländern ist die Rede von "gespaltenen" Gesellschaften. Was sagt das über den Zustand der Demokratie aus? Was bedeutet das für die Demokratie? Was hat es mit dem Konzept der "illiberalen Demokratie", die Viktor Orbán in Ungarn will, auf sich? Wie sind demokratiepolitische Verlustanzeigen wie jene aus der Türkei einzuordnen? Ist die westliche Demokratie an ihre Grenze gestoßen? Was lauert hinter dieser Grenze? Die Zeit der PopulistInnen? Welche Rolle bzw. Verantwortung kommt den Medien – traditionellen und neuen – in dieser angespannten Situation zu?

Diese Fragen diskutieren wir in einer STANDARD-Schwerpunktausgabe zum Thema "Demokratie unter Druck".

Illustriert wird diese Zeitungsausgabe mit Street-Art von verschiedensten Künstlern, die uns der Münchner Kunstverein "Positive-Propaganda e.V." bzw. dessen künstlerischer Leiter Sebastian Pohl auf Vermittlung von STANDARD-Kulturredakteur Stefan Weiss zur Verfügung gestellt hat. Dieser Verein widmet sich "der Etablierung zeitgenössischer und sozialpolitischer Kunst im urbanen Raum". Es sind hellsichtige Kommentare zur gegenwärtigen Verfasstheit der Welt, im öffentlichen Raum, jener "Blase", in der wir uns alle bewegen, als PassantInnen, als ZeitgenossInnen.

In dieser "Ansichtssache" können Sie die Sujets aus der Printausgabe des STANDARD online "durchblättern". Wenn Sie die Gesamtkonzeption und Einbettung in die journalistische Dramaturgie dieser besonderen Ausgabe erleben wollen, dann empfehlen wir Ihnen den Griff zum Papier. Es lohnt sich.

Sollten Sie jedoch zur "Online-only"-Fraktion gehören und trotzdem neugierig sein, wie die papierene Ausgabe aussieht, dann haben Sie dazu ab Wochenbeginn die Gelegenheit. Hier finden Sie alle unsere Schwerpunktausgaben in digitaler Form:

http://derstandard.at/r2000008697101/Redaktionelle-Schwerpunktausgaben


Als verantwortliche redaktionelle Koordinatorin der Schwerpunktausgaben wünsche ich Ihnen – auch namens der beteiligten KollegInnen in der Redaktion bzw. unserer AuslandskorrespondentInnen – eine inspirierende Lektüre. Wir freuen uns auf Ihr Feedback.

Lisa Nimmervoll

An einem Strang ziehen, aber zu welchem Zweck? Über das komplexe Verhältnis zwischen Masse und Individuum, Demokratie und Terrorherrschaft wurde viel geschrieben. Der spanische Streetart-Künstler Escif übertitelt sein Wandgemälde mit "Guillotina".

Foto: Escif

Der Künstler NoNÅME widmet sich sogenannten "VIPs" der Polithistorie mit Mitteln der Punk-Ästhetik. Das von Politikern verschiedener Ausrichtung für sich vereinnahmte Victory-Zeichen stellt er auf den Prüfstand: Sieg oder Frieden?

Foto: Hanna Sturm / Positive-Propaganda e.V.

Der britische Künstler Banksy gilt als Superstar der Street-Art. Bekannt wurde er mit politsatirischen Schablonenbildern (Stencils) und Aktionen, u. a. hängte er ironische Gemälde ungefragt in öffentlichen Museen auf. Hier: "Flower Riot" aus Wien mit Graffiti-Tag.

Foto: Sebastian Pohl

Der US-Amerikaner Mark Jenkins installiert aus Klebeband hergestellte Skulpturen auf verstörende Weise im öffentlichen Raum und will Reaktionen von Passanten provozieren: "trash" in Barcelona.

Foto: Mark Jenkins

"Der Beobachter" heißt das riesenhafte Gemälde des in Wien lebenden Tirolers Golif. Entstanden ist es 2016 – mit Erlaubnis der Stadt – im Entwicklungsgebiet St. Marx auf rund 30.000 Quadratmetern Fläche.

Foto: APA / Dieter Brasch

Noch näher ran an den Riesenmann...

Foto: APA / Dieter Brasch

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Thema Überwachung spielt in Banksys Werken eine große Rolle. Sein Bild in Cheltenham, das Agenten beim Abhören einer Telefonzelle zeigt, wurde 2014, kurz nachdem ein Geschäftsmann erklärte, es kaufen zu wollen, mit Graffiti übersprayt.

Foto: APA/EPA / Neil Munns

Die US-Amerikaner David Leavitt und David Torres bilden das Street-Art-Duo Cyrcle. Ihr Bild in Los Feliz, einem Stadtteil von Los Angeles, ist zweideutig zu verstehen: Der Ausdruck "overthrone" steht im urbanen Slang für "beim WC-Gang ausgestochen werden".

Foto: Cyrcle

Cyrcles Wandgemälde "Slave" entstand 2014 im Rahmen eines Streetart-Festivals in Montreal. Der auf den Kopf gestellte antike Tempel – oft Sinnbild für Demokratie – lässt Raum für Interpretation. Der durchgehende Strich findet sich in vielen Werken Cyrcles.

Foto: Cyrcle

Die geballte gelbe Faust im Comicstil ist das Hauptmotiv des Berliner Künstlers Kripoe. Die Arbeit "Hands up" in München entstand in Kooperation mit Amnesty International und auf Einladung des Vereins Positive Propaganda.

Foto: Hanna Sturm / Positive-Propaganda e.V.

Eine ungewöhnliche Variante der Street-Art: Der Künstler NoNÅME installiert im öffentlichen Raum ungefragt Spiegel. Vorbeigehende Menschen werden dadurch selbst zum temporären Werk.

Foto: NoNÅME

Den Spiegeln auf ironische Weise beigefügt sind die Computertastatur-Shortcuts "Ctrl + C" und "Ctrl + V" für kopieren und einfügen.

Foto: NoNÅME

Eine Klebeband-Skulptur aus der Serie "trash" von Mark Jenkins in London. Die Passanten werden unfreiwillig Bestandteil seiner Arbeiten.

Foto: Mark Jenkins

Die Arbeit "Gaza Strip" (Gazastreifen) des italienischen Künstlers Blu, zu sehen in Prag, ist ein kritischer Kommentar zum Nahostkonflikt – Baukran und Panzer in Endlosschleife. Banksy dienten die israelischen Sperranlagen wiederholt als Maluntergrund. Blu nahm 2007 an Banksy Projekt "Santa's Ghetto" Teil, wo er mehrere Arbeiten auf der Sperranlage realisiert hat. Diese hier gezeigte Arbeit ist von Blus Aufenthalt in Palästina inspiriert.

Foto: Sebastian Pohl

Die Scheinheiligkeit des Westens in geopolitischen Fragen möchte der Spanier Escif thematisieren. Er bezieht Position gegen Waffenhandel, Neokolonialismus und korrupte Machenschaften. "Blood for oil" (Blut für Öl) heißt sein Wandgemälde in Valencia.

Foto: Escif

Für Street-Art interessieren sich längst auch große Wirtschaftsunternehmen, was innerhalb der Szene als Ausverkauf kritisiert wird. Der Künstler Blu lehnt kommerzielle Anfragen grundsätzlich ab. In München malte er einen unerreichbaren Geldautomaten: "Salut".

Foto: Hanna Sturm / Positive-Propaganda e.V.

Am Höhepunkt der Euro- und Griechenlandkrise malte Blu sein Bild "Akropolis" in Athen. Die meterhohen Arbeiten entstehen meist mithilfe von Kränen und Hebebühnen. Mittlerweile seilt sich Blu aber mit Hilfe von professionellem Klettergeschirr bei den meisten seiner Arbeiten vom Dach ab.

Foto: Blu

Shepard Fairey nützt die Ästhetik der Werbeindustrie für kritische politische Botschaften. Seine weltweit verbreitete "Obey Giant"-Kampagne soll den Blick für Propagandatricks schärfen. "Oil-based policy" malte Fairey auf Einladung in München.

Foto: Hanna Sturm / Positive-Propaganda e.V.

Blus Kommentar zum klerikalen Autoritarismus in Polen entstand 2011 in Krakau. Seit 2015 regiert die rechtskonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" absolut.

Foto: Blu

Die Klebeband-Skulpturen des US-Künstlers Mark Jenkins treiben in Flüssen, baumeln von Dächern oder stecken wie hier den Kopf in die Wand. Die Installation in Washington erinnert auch an Arbeiten des österreichischen Künstlers Erwin Wurm.

Foto: Mark Jenkins

Die weltweite Propagandakampagne "obey giant" (gehorche dem Riesen) der Streetart-Ikone Shepard Fairey verfolgt einzig den Zweck, Menschen für die Mechanismen von Propaganda zu sensibilisieren. Als triviales Motiv für die Kampagne dient ihm das stilisierte Gesicht des 1993 verstorbenen Wrestlers André the Giant.

Foto: Shepard Fairey

Keine Street-Art, aber als Motiv interessant: Im politischen Straßenkampf der Zwischenkriegszeit spielten Graffiti eine gewichtige Rolle. Heute duellieren sich Subkulturen, Gangs und Aktivisten – das Bild stammt aus Berlin.

Foto: Sebastian Pohl