Lee Fields legt sich in einen Song. Es wird ein Drama sein. Darunter gibt er es nicht. Der Soulmann spielte mit seiner Band The Expressions im Wiener Chaya Fuera. Er schwitzte, der Saal kochte.

Foto: Heribert Corn

Wien – Eine Erkenntnis von Lee Fields lautet: "You keep trying, but you just can't win."

Das ist eine existenzielle Wahrheit für Millionen Menschen und in der Soulmusik ein ewiges Thema. Scheitern, aber weitermachen, das Prinzip Hoffnung.

Spricht man von Soul und Hoffnung, bringt das einen Rucksack an Historie mit sich. Das Erbe der Sklaverei in den USA als emotionale Basis dieser Kunst, die Erfahrung der Rassendiskriminierung, den Versuch ihrer Überwindung mit der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre und eben die Hoffnung als das alles verbindende Amalgam.

Derlei universelle Erfahrungen lassen sich natürlich auf den individuellen Alltag umlegen. Auf die Herzdame, die mann vergebens anschmachtet, das gebrochene Herz, wenn es wieder nicht geklappt hat: "You just can't win." Das ergibt Schicksale von beträchtlicher Fallhöhe, und in diese stürzt sich einer wie Lee Fields ohne Zögern.

Am Dienstag gastierte der Mittsechziger im Wiener Club Chaya Fuera. Und da mochte Just Can't Win die harte Wahrheit bleiben, doch an diesem Abend war Fields ein Gewinner. Die Herzen des ausverkauften Clubs flogen ihm zu.

Fields ist ein klassisch geschulter Entertainer. Er tourte noch mit Größen der goldenen Soul-Ära durch den US-Süden, darunter ein Gigant des Deep Soul, Mister Overton Vertis Wright. 1979 veröffentlichte er sein erstes Album Let's Talk It Over, dann verbrachte er Jahre im Schatten, in einem aus der Mode gekommenen Fach. In den 1990ern gelangen ihm einige Clubhits, und er erklomm in den Nullerjahren den Olymp des Soulrevivals, wo er mit Charles Bradley einen Einzigen hat, der sich mit ihm messen kann.

Wie Bradley ist Fields ein Expressionist. Live ließ er sich dafür einige Songs lang Zeit, spielte sich warm, bevor er stärker auftrug. Und stärker, und stärker. Im Kontrast dazu stand seine sechsköpfige Band. Ihrem Namen The Expressions zum Trotz setzten sie ihrem Meister vergleichsweise stoisch den Rahmen, den Fields händeringend und mit Körpereinsatz immer wieder sprengte. Drama, Baby.

Angetan in einem Anzug, mit dem er auf keiner Zuwandererhochzeit in der Vorstadt auffallen würde, gab er den schwitzenden Sir. Ein glitzerndes Kreuz auf der Brust, das Hemd weit genug geöffnet, um es zu zeigen. Fields Pulsschlag flutete Schleicher wie Special Night mit Herzblut, er atmete in schmachtenden Balladen wie Work to Do kurz durch, bevor er mit Make the World eine Dosis Funk verabreichte.

Der Bass pumpte, die beiden Bläser stießen ihren Atem durch die Hörner, hinten eierte die Orgel. Alles fiel perfekt an seinen Platz, kein Wunsch blieb offen.

Fields bot eine perfekte Soulrevue, erzeugte mit kleinen Gesten große Wirkung und umgarnte sein Publikum. Nehmen und Geben heißt das Spiel, übersetzt: Call and Response, ein Charakteristikum des Gospels, das im weltlichen Entertainment genauso funktionierte. Der Saal kochte, Fields schwitzte, die Expressions wussten, es fährt wieder einmal.

Schuld und Sühne

Dann kam, was kommen musste, ohne wäre man nicht gegangen: der Song Faithful Man, das Titelstück seines Albums von 2012, des wahrscheinlich besten aus seinem Spätwerk. Er war immer ein treuer Mann, singt er darin, bis sie aufgetaucht ist, sie. Ein Klassiker. Schuld und Sühne in drei Minuten. Live wurden es mehr. Immer wieder schwor er, dass es nicht geplant war, aber was sollte er tun, wenn das Herz sich anders entschlossen hat?

Die Band knallte durch, Fields Schreie transportierten Lust und die Verzweiflung gleichermaßen: Deep. Soul. Besser geht's nicht. Fields sagte, er liebe uns. Sicher. Er hat leicht reden, er ist Profi. Aber was ist mit uns, die wir ihm wirklich verfallen sind? Eine Weihestunde. (Karl Fluch, 18.1.2017)