Dass es im Sportbereich nicht gerade zimperlich zugeht, kann als wohlbekannt vorausgesetzt werden. Ob Disziplin und Härte jedoch die einzigen, vor allem aber auch die richtigen pädagogischen Herangehensweisen darstellen, um zögerliche Kinder oder Jugendliche zu motivieren, Bedenken, Scheu oder Angst zu überwinden, kann aus salutogener (der Gesundheitsförderung verpflichteter) Sicht heftig kritisiert werden.

Psychische Gesundheitsschäden wurzeln oft im Spott der Lehrkräfte, wenn "SuS" (das ist eine in pädagogischen Fachbüchern geläufige Abkürzung für "Schüler und Schülerinnen") sich nicht ausziehen wollen; heute sollte bekannt sein, dass dies oft ein Symptom für erlebte sexuelle Übergriffe ist – wobei auch Kommentare über Körperform oder Behaarung sexuelle Attacken darstellen (auch wenn das ignorante Chauvinisten verleugnen). Wer als Kind dicklich war, weiß, welche Gefühle von Verzweiflung das auslöst. (In diesem Zusammenhang hohe Anerkennung für Alfons Haider, der diese Erfahrungen aus seiner Kindheit mutig zur Sprache brachte!) Oft sind es auch unerkannte Behinderungen, die spontane Bewegungslust vernichten. Das wissen Kurzsichtige im Nachhinein, wenn sie erkennen, weswegen sie Ballspielaufgaben ihres Versagens wegen nicht mochten.

Gegenwärtig wird gefordert, muslimische Mädchen zu verpflichten, am koedukativen Schwimmunterricht teilzunehmen. Ich finde das nicht richtig. Da könnte man ja auch gleich Zwangsernährung mit Schweinefleisch daran ankoppeln.

Aus systemischer (kybernetischer) Sicht geht es immer darum, das Ziel zu präzisieren und dann Alternativen der Verwirklichung zu suchen. Diese Art des Denkens und Planens zählt auch zu den Methoden der Gesundheitsförderung wie etwa auch "Stärken verstärken" und "Schwächen minimieren", was auch bedeuten kann, dysfunktionale Anforderungen herabzusetzen.

Auf Schwimmunterricht angewendet heißt das: Was ist das Ziel? Dass Musliminnen schwimmen können, oder dass sie Körperkontakt mit Burschen dulden? Welche Frau kennt nicht die ach so lustigen Übergriffe in Schwimmbädern aus frühen Lebensjahren – oder immer noch? Von Pädophilen belästigte Knaben kennen das übrigens auch. Oder geht es nur um Unterwerfung – egal, ob unter die Lehrkraft oder die sogenannte Staatsgewalt?

Würde nicht der schriftliche Nachweis durch Bestätigung einer Schwimmlehrerin genügen, dass das Mädchen schwimmen kann? Oder ausgelagerter Schwimmunterricht nur für (muslimische) Mädchen? Ich beispielsweise war in den 1950er-Jahren, vor Einführung der Koedukation, als einziges Mädchen in einer Bubenschule die letzten Jahre vor der Matura vom Turnunterricht befreit. Die Schuljahre davor musste ich zum Turnen in den Nachmittagsunterricht einer Mädchenschule "auswandern". So abwegig war das nicht: Heute wird ja auch wieder von Expertenseite überlegt, die Schülerschaft in bestimmten Lehrfächern gendersensibel zu trennen.

Oder geht es einfach nur darum, in quasi nationalistischer Selbstbestätigung Zwangsanpassungen vorzunehmen? Das wäre "schwarze Pädagogik de luxe". Der geheime Lehrplan hieße dann nämlich, wir, die "Vielen", bestimmen über den Körper, die Integrität der Wenigen – und was deren seelisch-geistige (spirituelle) Gesundheit schädigt, ist uns egal.

Ich bin in meiner psychotherapeutischen Praxis immer wieder mit den Traumatisierungen durch Turn- und Sporterlebnissen konfrontiert – nicht nur von Frauen.

Aber vielleicht organisieren muslimische Lehrerinnen selbst außerschulischen Schwimmunterricht, und ein integrationsfreundlicher Staat rechnet diesbezügliche Bestätigungen an? Das wäre eine versöhnliche Geste des Respekts und der Gleichwürdigung. (Rotraud Perner, 18.1.2017)