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Sibirische Tiger könnten in Kasachstan in die Pfotenstapfen ihrer ausgestorbenen Verwandten treten.

Foto: AP/Ng Han Guan

Syracuse/Wien – Einst durchstreifte eine der größten Katzen der Welt die Flusstäler und Wälder der Region des Kaspischen Meeres: der Kaspische Tiger. Sein Verbreitungsgebiet erstreckte sich vom Osten der heutigen Türkei über den Iran und weite Teile Zentralasiens bis in den Nordwesten Chinas. Der Niedergang dieser Tiere begann mit der russischen Kolonisierung Turkestans im späten 19. Jahrhundert, intensive Jagd und Landwirtschaft dezimierten ihren Bestand rasant.

Im Lauf des 20. Jahrhunderts hat der Mensch den Kaspischen Tiger vollständig ausgerottet. In den 1990ern kam die Idee auf, den ebenfalls stark gefährdeten Sibirischen Tiger, von dem heute etwa 500 Exemplare vor allem im Osten Russlands leben, in Zentralasien anzusiedeln. Seine Verwandtschaft zum Kaspischen Tiger ist ausgesprochen eng: Genetische Studien der letzten Jahre haben ergeben, dass sich die beiden Unterarten möglicherweise erst vor 200 Jahren getrennt haben.

100 Tiger in 50 Jahren

Nun könnte das Wiederansiedlungsvorhaben erheblichen Aufwind bekommen: Ein internationales Forscherteam identifizierte aktuell im Fachblatt "Biological Conservation" ein vielversprechendes Habitat in Kasachstan und arbeitete die notwendigen Rahmenbedingungen aus. "Nun gibt es ein wissenschaftliches Fundament, um das Potenzial und mögliche Szenarien einer Wiederansiedlung abzuschätzen", sagte Koautor Mikhail Paltsyn von der State University of New York.

Im besten Fall könnte binnen fünf Jahrzehnten eine Population von bis zu 100 Tigern aufgebaut werden. Für ihre Studie analysierten die Wissenschafter die historische Verbreitung und Lebensweise der Kaspischen Tiger und suchten nach passenden Territorien in der heutigen Großregion.

Umfangreiche Vorbereitungen

Besonders üppig war die Auswahl unter Berücksichtigung der derzeitigen Landnutzung und Bevölkerungsdichte nicht gerade, doch in Kasachstan fand sich immerhin ein aussichtsreiches Areal: im Ili-Delta, in dem bis mindestens 1948 Kaspische Tiger lebten. Doch einige Hürden müssten dort noch vor einer Auswilderung überwunden werden, die Forscher rechnen dafür mit einem Zeitrahmen von mindestens 15 Jahren.

So wären unbedingt Maßnahmen gegen unkontrollierte Waldbrände und eine Regulierung des Ili-Flusses notwendig. In der Region leben zwar größere Bestände von Wildschweinen und Gazellen, doch weitere inzwischen verschwundene Populationen von Beutetieren müssten ebenfalls angesiedelt werden. Und nicht zuletzt müssten Sicherheitskonzepte erarbeitet und sozioökonomische Aspekte für die umliegenden Gemeinden beleuchtet werden.

Die Chancen dafür stehen jedenfalls nicht schlecht: Die kasachische Regierung und die Umweltorganisation WWF unterstützen das Projekt, und auch lokale Behörden zeigen sich interessiert: Die Rückkehr der Tiger könnte den Tourismus in der Region deutlich ankurbeln. (David Rennert, 18.1.2017)