Hohes Fieber, Halsschmerzen, trockener Husten: Wer an der "echten Grippe" erkrankt ist, muss das Bett hüten.

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Meldungen von Grippe und grippalen Infekten.

Grafik: DER STANDARD

Wien – Wer bis jetzt verschont wurde, für den gibt es leider noch keine Entwarnung. Der Höhepunkt der Grippewelle steht erst bevor, heißt es aus dem Department für Virologie der Med-Uni Wien. Dort wird das Virus A H3N2 beobachtet, auch, ob die diesjährige Grippeimpfung gegen das richtige Virus immunisiert. Das dürfte der Fall sein, erklärt Monika Redlberger-Fritz. "Es liegt eine kleine Mutation vor, die aber die Eigenschaften des Virus nicht verändert", sagt die Virologin.

Die Zahl der registrierten Neuerkrankungen an Grippe und grippalen Infekten war vorige Woche in Wien mit 19.200 leicht unter dem Wert der Woche davor (19.700), wobei die Differenz innerhalb der Schwankungsbreite von 1.650 Meldungen liegt. In Tirol wurden vorige Woche 4.625 Neuerkrankungen registriert, allerdings sind die Zahlen aus den zwei Wochen um den Jahreswechsel nicht vergleichbar. Ob der Gipfel der Epidemie schon erreicht ist, sei unklar, hieß es von der Landessanitätsdirektion. Aus Graz sind 3.915 Neuerkrankungen bekannt. Eine Woche vor und nach dem Jahreswechsel wurden keine Zahlen erfasst. Davor waren sie deutlich niedriger.

Gefahr für Risikogruppen

"Die Influenza kann nur bei Risikopatienten wie Schwangeren, Säuglingen, älteren multimorbiden und krebskranken Menschen lebensbedrohlich werden", erläutert Naghme Kamaleyan-Schmied, niedergelassene Allgemeinärztin in Wien-Floridsdorf.

Kamaleyan-Schmied fände wichtig, dass die Menschen systematisch über Impfungen im Allgemeinen aufgeklärt werden, und dann auch erfahren, ob sie in eine Risikogruppe fallen und ob ihnen zum Beispiel eine Grippeimpfung anzuraten wäre. Sie fände ein Impfaufklärungsgespräch im Zuge der Gesundenuntersuchung zielführend, für das die Krankenkasse die Kosten tragen soll.

Umstrittenes Medikament

Das Medikament Tamiflu, das bei einer Einnahme innerhalb von 24 bis maximal 48 Stunden nach Auftreten erster Symptome Grippeverläufe abmildern soll, verschreibt die Allgemeinärztin Kamaleyan-Schmied nur selten – "am ehesten, wenn jemand neben Grippe chronisch krank oder in einem schlechten Allgemeinzustand ist", sagt die Hausärztin.

Immer wieder steht das Medikament – ein Neuraminidasehemmer – in der Kritik. Es sei umstritten, ob die Einnahme von Oseltamivir, wie der Wirkstoff heißt, tatsächlich die Krankheitsdauer und den Schweregrad der Grippe positiv beeinflusst.

Unterschiedliche Studien geben darüber unterschiedliche Auskünfte. Der Hersteller Roche stellt dem Präparat ein positives Zeugnis aus, das Forschernetzwerk Cochrane kritisiert das Medikament. Virologin Redlberger-Fritz empfiehlt Oseltamivir weiterhin, da es die Verbreitung des Virus im Körper stoppe, sofern es rechtzeitig eingenommen werde. Das erhalte sie als Rückmeldung. Die unterschiedliche Bewertung erklärt sie damit, dass es keine Doppelblindstudien – das Ergebnis der Studie muss jederzeit wiederholbar sein – waren, die der Hersteller durchgeführt hat, und die Daten deswegen nicht vom Forschernetzwerk miteinbezogen wurden.

Starke Grippewelle

Die Daten, die Cochrane in der Metastudie verwendete, unterschieden laut Redlberger-Fritz nicht zwischen Influenza-Kranken und Patienten mit grippalen Infekten. "Bei Schnupfen wirkt Tamiflu nicht", sagt die Virologin. Außerdem werde der Wirkstoff weiterhin von der Weltgesundheitsorganisation und vom Europäischen Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten empfohlen. Alternative zu Oseltamivir gibt es zumindest in Österreich derzeit nicht. Relenza – Wirkstoff Zanamivir – ist aktuell nicht lieferbar, wie es aus der Apothekerkammer heißt.

Dass in diesem Jahr die Grippewelle besonders stark ist, darüber sind sich alle einig. In Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) wurden seit der Vorwoche insgesamt 325 Patienten wegen Influenza aufgenommen, das macht etwa ein Drittel der Gesamtzahl der vergangenen zwei Wochen aus. Allerdings sagt dies nichts darüber aus, ob die Grippewelle ihren Höhepunkt erreicht hat.

Es ist unklar, inwieweit das Fehlen niedergelassener Ärzte über Weihnachten in die Krankenhausaufenthalte hineingespielt hat. Der Grund für die sehr hohe Anzahl an stationär behandelten Grippepatienten liegt laut KAV vor allem "in der Aggressivität des aktuellen Virusstammes". Überwiegend ältere Menschen seien zumeist über einen längeren Zeitraum davon betroffen.

Belastung in Spitälern

25 Patienten müssen noch in Spitalsbetten auf dem Gang liegen. Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz hat zwischen Weihnachten und Silvester Alarm geschlagen, da dies viele Patienten in KAV-Spitälern betraf – der KAV sah in der so früh ausgebrochenen Influenza-Epidemie die Wurzel des Problems. "Ich gehe davon aus, dass man jetzt alles tut, um das Problem Gangbetten in den Griff zu bekommen", sagte Pilz. Die Zahl der ihr vorliegenden Beschwerden wegen Gangbetten in Krankenhäusern seit Jahreswechsel seien "nicht überbordend".

Dass die vergleichsweise geringe Durchimpfrate in Österreich für die Stärke der Grippewelle verantwortlich ist, glaubt Ursula Köller, Leiterin der Arbeitsgruppe "Impfen" der Bioethikkommission. Der Anstieg der Grippefälle sei "extrem steil, in den letzten 15 Jahren haben wir nichts Vergleichbares gesehen". (Marie-Theres Egyed, Gudrun Springer, 19.1.2017)