Michael Diettrich, Sprecher der Armutskonferenz, kritisiert Kürzungen bei der Mindestsicherung in Vorarlberg.

Foto: Armutskonferenz

Bregenz – "Auftragserfüllung von Vorgaben aus der ÖVP-Parteizentrale in Wien" nennt die Vorarlberger Armutskonferenz die Änderung der Mindestsicherung. Die Regierung lasse nun Bezieherinnen und Bezieher von Mindestsicherung für politische Versäumnisse der vergangenen Jahre bezahlen, sagt Armutskonferenz-Sprecher Michael Diettrich.

Wie der STANDARD berichtete, haben sich Vorarlberg und Tirol auf eine Westlösung zur Neuordnung der Mindestsicherung geeinigt. Die Steigerung bei den Ausgaben sei auf die Flüchtlingsbewegung zurückzuführen, wird in beiden Ländern argumentiert. Vorarlberg will drei Millionen Euro einsparen, Tirol fünf Millionen.

Die ÖVP verstehe die Dynamik der Sozialausgaben nicht, sagt Diettrich. Die Kürzungen mit der Flüchtlingsbewegung zu begründen, sei nicht stichhaltig, die gestiegenen Ausgaben hätten vielmehr mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun, argumentiert er.

Verantwortungslose Kürzungen

Zur Untermauerung ihrer Argumentation hat die Armutskonferenz die Einnahmen im sozialpolitischen Budgetposten Soziale Wohlfahrt und Wohnbauförderung mit den Ausgaben verglichen und kommt zum Ergebnis: "Gerade in der Zeit der Flüchtlingszuwanderung ist die Belastung des Landesbudgets in diesem Budgetposten per Saldo gesunken – in den sechs Jahren von 2010 bis 2015 um 40 Millionen Euro." Die Entlastung käme durch steigende Einnahmen in der Wohnbauförderung zustande.

Dass jetzt ausgerechnet die Kürzungen bei den Wohnkosten den größten Anteil an den Einsparungen – die Hälfte der angepeilten drei Millionen Euro – hereinholen sollen, hält die Armutskonferenz für verantwortungslos. Der Vorwurf: "Die früheren Landesregierungen haben bei der Ausweitung des gemeinnützigen Wohnbaus tief und fest geschlafen, obwohl das Geld in der Wohnbauförderung vorhanden gewesen wäre."

Diettrich verweist auf eine Berechnung der Armutskonferenz aus dem Jahr 2012: "Könnte ein Drittel jener Menschen, die Mindestsicherung beziehen, statt auf dem freien Wohnungsmarkt in gemeinnützigen Wohnbauten unterkommen, könnte man sich 1,6 Millionen Euro sparen."

Mehr Lohn statt Kürzungen

Von der Armutskonferenz wie von der Caritas wird kritisiert, dass die Regierung Kürzungen der Mindestsicherung mit dem geringen Abstand zwischen Niedriglöhnen und Mindestsicherung begründet. Arbeit würde sich dadurch nicht lohnen, lautet ein oft geäußertes Argument.

In den Niedriglöhnen liegt für Caritas-Direktor Walter Schmolly "das eigentliche Problem der ganzen Diskussion". Schmolly verweist auf sinkende Löhne seit 1998: " Im Bereich der unteren zehn Prozent sind die Einkommen um 10,5 Prozent gesunken." Diese Abwärtsspirale nun auf die Mindestsicherung zu übertragen, sei ein grundlegend falscher Ansatz, der niemandem helfe. (Jutta Berger, 19.1.2017)