Norwegischer Cheftrainer: "Es wird nicht groß damit angegeben, was man hat. Es wird auch nicht gejammert, wenn man etwas nicht hat."

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STANDARD: Aksel Lund Svindal hat nach seiner neuerlichen Knieoperation ein Bild von sich aus dem Krankenbett gepostet, auf dem er grinsend zu sehen ist. Steckt er das wirklich so locker weg?

Mitter: Man kann es nicht ändern. Große Frustration würde ihm nicht helfen. Er muss die Situation nehmen, wie sie ist. Was ihm am meisten zu schaffen macht, ist, dass er gerne beim Team ist, er trainiert gerne und wird gerne besser, aber das kann er nun nicht.

STANDARD: Nach der Wengen-Absage wurde kritisiert, dass es zu wenige Abfahrten gebe. Sie sehen darin kein gutes Signal für die Skiwelt und machen sich für Doppelabfahrten stark. Die Fis hingegen will die Akteure entlasten.

Mitter: Es braucht auch Glück, dass man eine Abfahrt fahren kann. Und es braucht Flexibilität. Man kann nicht einfach mehrere Abfahrten ausfallen lassen. Dann wird die Schieflage zwischen Speed und Technik noch größer. Doppelabfahrten wären bestimmt die einfachste Lösung. Ich habe Verständnis für die Entscheidung der Fis, aber für uns wäre es egal, ob wir am Donnerstag ein Training oder ein Rennen fahren.

STANDARD: Sind Teamgeist und Wissensaustausch wesentliche Gründe für die Erfolge der Norweger?

Mitter: Im Speedbereich auf jeden Fall. Das sieht man bei Aleksander Aamodt Kilde, der innerhalb von zwei Jahren ein stabiler Speedfahrer geworden ist. Er hat natürlich von den erfahrenen Läufern profitiert, so wie früher Svindal und Jansrud von Aamodt und Kjus. Und genau das versuchen wir zu forcieren.

STANDARD: Welche Rolle spielt die Saisonvorbereitung. Sind die Norweger fleißiger als andere?

Mitter: Wir trainieren so viel Kondition und auch auf Schnee, vielleicht sogar mehr als andere, sodass ich mir nicht vorstellen kann, dass budget- und energiemäßig noch mehr ginge. Die Quantität ist eine Sache, aber wir schauen, dass auch die Qualität passt. Wir wollen jeden einzelnen Lauf nutzen, besser zu werden.

STANDARD: ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel erwägt, potenziellen Siegfahrern mehr Individualbetreuung zukommen zu lassen, weil das bei Marcel Hirscher zum Erfolg führte. Eine gute Idee?

Mitter: Wenn man Einzelne rauspickt, ist es wohl eher schwierig. Ich weiß, dass es bei Hirscher sehr gut funktioniert. Das gemeinsame Besserwerden fällt dann aber weg. Das ist nicht unser Weg.

STANDARD: Sie sind seit fast zehn Jahren Trainer in Norwegen. Wie hat sich das eigentlich ergeben?

Mitter: Zufällig. Der damalige Damencheftrainer, ein Österreicher, hat Unterstützung gesucht. Damit habe ich nach der Arbeit beim steirischen Landesverband, wo ich praktisch meine Lehrjahre verbrachte und wo es an Mitteln fehlte, meine berufliche Seelenruhe gefunden. Die Einstellung zum Spitzensport hat mir in Norwegen von Anfang an getaugt. Ich wurde eigentlich nie gefragt, ob ich Cheftrainer werden will. Irgendwann hat es geheißen, ich bin es jetzt. Da sagt man nicht Nein.

STANDARD: Würde Sie eine Trainertätigkeit in Österreich reizen?

Mitter: Man soll niemals nie sagen, aber ich könnte es mir schwer vorstellen. Ich fühle mich sehr wohl in Skandinavien. Aber man muss schauen, was passiert. Wenn wir nächstes Jahr eine auf den Deckel kriegen, kann es schnell vorbei sein.

STANDARD: Wie schafft es Norwegen, kontinuierlich Siegfahrer hervorzubringen?

Mitter: Die Norweger sind aus speziellem Holz geschnitzt. Man soll nicht generalisieren, aber es hat sicher mit der Vorliebe zum Draußensein und mit der Einstellung zum Sport zu tun. Man braucht eine gewisse Härte, wenn man bei jedem Wetter draußen ist. Auch die Einstellung zum Gewinnen und Verlieren finde ich extrem cool. Wenn man verliert, analysiert man und sucht die Fehler bei sich.

STANDARD: In Norwegen ist der nordische Skisport Nummer eins. Wie groß sind Erwartungshaltung und Druck für die Alpinen?

Mitter: Druck ist immer da – von extrem aggressiven Medien, vom Verband. Der Druck, der mich schlaflos werden lässt, kommt aber von mir selbst, von der Verantwortung für die Athleten.

STANDARD: Was schätzen Sie an Norwegen, was weniger?

Mitter: Diese Zufriedenheit. Was man hat, das passt. Es wird nicht groß damit angegeben, was man hat. Es wird auch nicht gejammert, wenn man etwas nicht hat. Weniger gut gefällt mir, dass das Wetter teilweise hart ist, dass es im Winter brutal finster ist.

STANDARD: Sie stammen aus einer sportverrückten Familie. Ihr Vater war OK-Chef der Nordischen WM 1999, ein Bruder ist in Hirschers Betreuerteam, ein anderer coacht die finnischen Skispringer. Zufall?

Mitter: Allerdings. Es gab keinen Masterplan.

STANDARD: Welche Ergebnisse braucht es in Kitzbühel, um Norwegen zufriedenzustellen?

Mitter: Norwegen will natürlich Siege feiern, für mich wäre auch eine Podiumsplatzierung schön. Der Oberhammer wäre, wenn erstmals ein Norweger vom Originalstart weg gewinnen könnte. (Thomas Hirner, 19.1.2017)