Belgrad/Pristina – Der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic und sein kosovarischer Amtskollege Isa Mustafa sollen am Dienstag in Brüssel zusammen kommen. Das Treffen der Regierungschefs wurde von der EU-Vermittlerin im Normalisierungsdialog, Federica Mogherini, einberufen. Es findet vor dem Hintergrund des Zug-Streits statt, der am Samstag beinahe zu einer Konfrontation an der gemeinsamen Grenze führte.

Die Entwicklung der Ereignisse der letzten Tage habe die Notwendigkeit eines größeren Einsatzes der beiden Seiten durch den Dialog aufgeworfen, wurde Mogherini von Medien zitiert. Zuletzt waren Vucic und Mustafa im Rahmen des seit Jahren geführten Normalisierungsdialogs am 27. Jänner 2016 in Brüssel zusammengekommen.

Personenzug gestoppt

Jüngste Spannungen wurden durch die Entscheidung Belgrads ausgelöst, eine direkte Zugfahrt zwischen Belgrad und der im Kosovo gelegenen Stadt Nord-Mitrovica einzuführen. Der Personenzug war am Samstag auf Anordnung des serbischen Ministerpräsidenten Vucic kurz vor der Grenze gestoppt worden, nachdem klar geworden war, dass die kosovarische Grenzpolizei die Einreise nicht zulassen würde. Der Kosovo hatte die nicht abgesprochene Zugfahrt des noch dazu propagandistisch bemalten Zuges als Provokation empfunden. Auf der Außenseite des Zuges stand auf den serbischen Nationalfarben in großen Lettern und in mehreren Sprachen: "Der Kosovo ist Serbien".

Festnahme eines kosovarischen Politikers in Frankreich

Großen Unmut hatte zuvor in Prishtina die Festnahme des kosovarischen Oppositionspolitikers Ramush Haradinaj auf Basis eines serbischen Haftbefehls in Frankreich ausgelöst. Belgrad wirft dem einstigen kosovarischen Ministerpräsidenten Kriegsverbrechen im Juni 1999 vor. Haradinaj war zuvor zweimal vom UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in ex-Jugoslawien freigesprochen worden. Laut kosovarischen Medienberichten würden serbische Behörden durch internationale Haftbefehle derzeit nach 22 einstigen Angehörigen der Kosovo-Befreiungsarmee UCK fahnden.

Die zuvor für den heutigen Freitag angekündigte Wiedereröffnung einer Ibar-Brücke in Mitrovica, die den südlichen albanischen von dem nördlichen serbischen Stadtteil verbindet, wurde laut Medienberichten aufgeschoben. Das Potenzial für einen weiteren Konflikt zeichnet sich bereits ab. An der serbischen Brückenseite wurde nämlich Ende des Vorjahres eine Mauer errichtet, die den freien Zugang zu der dahinter liegenden Hauptstraße versperrt. Prishtina fordert den Abriss der Mauer.

Belgrad lehnt es nach wie vor ab, die im Februar 2008 ausgerufene Unabhängigkeit des Kosovo, seiner einstigen Provinz, anzuerkennen. Für Zündstoff sorgte am Sonntag auch die Drohung Nikolic mit einem eventuellem Militäreinsatz im Kosovo. Die serbischen Streitkräfte mussten vom Kosovo nach dem Kriegsende im Juni 1999 abziehen. (APA, 20.1.2017)