Arme Hillary Clinton! Nicht nur, dass sie die Präsidentschaftswahlen verloren hat. Ihr wurde gar auf Facebook vorgeworfen, im Zentrum eines bei Washingtoner Eliten beliebten Pädophilenrings zu stehen, dessen Hauptquartier sich im Keller einer Pizzeria verbergen soll.

Diese groteske wie tragische Geschichte – ein junger Schauspieler war selbst derart von ihr überzeugt, dass er Anfang Dezember nach langer Autofahrt das Magazin seiner Waffe dort geleert hat – zeigt, wie sehr Frau Clinton von einem Teil der Bevölkerung als ein herzloses Ungeheuer gesehen wird, das zu allem bereit ist.

Herzloses Ungeheuer

Das erinnert Sie an nichts? Ja doch! In der Erfolgs-TV-Serie Game of Thrones ist die blonde Cersei ein herzloses Ungeheuer, eine, die aus Ehrgeiz über Leichen geht. "Cersei" war der Spitzname, den so manche Trump-Wähler der demokratischen Kandidatin gegeben haben. Wie auch der Bruder der New York Times-Journalistin Maureen Dowd, einer linken Feministin, der dieser am Thanksgiving-Tisch Ende November eine Figur der Cersei präsentierte, um Hillarys Niederlage zu feiern.

Die wirtschaftlichen und ideologischen Motive der Wahl sind lange seziert worden. Vielleicht ist auch der Moment gekommen, um den Einfluss von TV-Serien zu hinterfragen. In den USA haben nur 51 Prozent der weißen Frauen mit Universitätsabschluss Hillary Clinton gewählt und 62 Prozent der weißen Frauen ohne Diplom: Gerade die gebildeten Mittelschichten sind die Zielgruppen der raffinierten TV-Serien wie Game of Thrones.

Eine andere Erfolgsserie, House of Cards, inszeniert das zutiefst verdorbene Paar Underwood, brillante Demokraten, denen jedes Mittel recht ist, um ins Oval Office zu kommen. Der Ehemann Frank (Kevin Spacey), der störende Zeugen selbst eigenhändig aus dem Weg räumt, Frank, dessen Intelligenz, Grausamkeit und Charme auf ein einziges Ziel gerichtet sind: Vizepräsident und schließlich Präsident zu werden, bietet dabei kaum Überraschungen.

Die faszinierende Person ist dessen Frau Claire (Robin Wright) – auch sie blond. Frank zweifelt nie, Claire hin und wieder. Man muss sich das Brainstorming der Drehbuchautoren vorstellen: Sie wollten Konventionen brechen, ohne in eine Macho-Karikatur abzugleiten. Die Szene, in der Claire den im Sterben liegenden Chauffeur ihres Mannes im Spital besucht, der ihr schließlich seine Liebe gesteht, ist eine dieser Überschreitungen.

Keine Tremolos

Anstatt der Tremolos, die in üblichen Filmen diese Art von Situationen begleiten, erklärt Claire ihm eiskalt, warum sie Frank ausgesucht hat: einen Mann, der "sich nimmt, was er will". Bevor sie unter der Spitaldecke den Penis des Sterbenden aufspürt ("Hören Sie auf!", fleht er sie an), um auf die Wirklichkeit dieser sexuellen Begierde, als Anbetung verkleidet, den Finger zu legen.

Die Autoren von House of Cards haben die Messlatte hoch gelegt. Aber man kann sich fragen, ob sie nicht eine Reihe von Argumenten geliefert haben, deren Trump sich genüsslich bedienen konnte.

Die ersten Episoden von House of Cards wurden 2012 ausgestrahlt, gerade im Jahr der Wiederwahl Obamas. Damals schien die öffentliche Meinung reif, nach zweimaligem Sieg eines Schwarzen für eine Frau zu stimmen. Ich habe allerdings diese Serie erst nach der Wahl Trumps entdeckt, und es ist wert, sie im Lichte dieser Entwicklung zu analysieren.

Wenn in Game of Thrones der Süden des Reiches Westeros eine Schlangengrube ist, in House of Cards ist es ganz Washington. "Kein Wunder, dass so viele Leute Washington hassen!", schreit Megan, eine Soldatin, die Claire dazu bewegte, einen Gesetzesentwurf gegen sexuellen Missbrauch im Militär einzubringen (beide waren Opfer desselben Mannes, eines inzwischen hohen Generals). Sie ist außer sich, als Claire ihr eröffnet, diesen zurückzuziehen – inzwischen war das Gesetz für die Ambitionen ihres Mannes nicht mehr opportun.

Claire ist eine ambivalente Person: einerseits Feministin, voller Energie und Mut, aber auch bereit, die Sache der Frauen aufzugeben, sobald die Interessen ihres Mannes dies erfordern. Sie verrät die weiblichen Angestellten ihrer NGO, dann eine von ihr geangelte hochausgebildete Idealistin, dann Megan, der sie volle Unterstützung versprach, dann noch Tricia, die Frau des Präsidenten, den Frank aus dem Oval Office verdrängen wird, nachdem sie sich ihr als verlässliche Vertraute angedient hat.

Sie gesteht in einem CNN-Interview eine ihrer drei Abtreibungen, nicht ohne die Aufmerksamkeit auf das Problem des sexuellen Missbrauchs im Militär abzulenken. Sie fälscht die Beweise ihres Ehebruchs, ist gleichzeitig aber bereit zu einer ausschweifenden Nacht à trois zu Hause, mit Frank und dessen Bodyguard.

Diese Szene mag 2013 den liberalen Eliten der Westküste lustig erschienen sein. Man kann sich jedoch nur zu gut das Entsetzen der konservativen und religiösen Mittelklasse vorstellen: Alle Vorurteile über Hillary Clinton – ihre Heuchelei, ihre Machtbesessenheit, den angeblichen Pakt der Ambitionen mit ihrem Mann Bill – scheinen bestätigt.

Nach diesen bösartigen Blondinen kommt nun Melania Trump. Zumindest ist sie brünett, obzwar man kaum mehr weiß über das Ex-Model, dessen Figur und Schweigsamkeit an die berühmte Barbie-Puppe erinnern. In einer Zeit, in der die Firma Mattel endlich ihre Puppenmodelle vielfältiger gestaltet (es gibt inzwischen dürre und auch festere, gar mit Bäuchlein), bedeutet eine First Lady Melania, dass die amerikanische Frauen sich auf einen Rückschritt in Bezug auf ihre Rechte gefasst machen müssen?

Die Sorge ist groß, zehntausende Frauen werden heute, Samstag, in Washington auf die Straße gehen. Währendessen jubeln die Unterstützer des neuen Präsidenten: "There is a new sheriff in town." Und Hollywood ist wohl bereits dabei, auch diese unglaubliche Geschichte zu erzählen. (Joëlle Stolz, 20.1.2017)