Aachen – Der britische Historiker Timothy Garton Ash erhält für seinen Anstoß zu einer Wertedebatte in der europäischen Krise den Karlspreis 2017. Der herausragende Wissenschaftler sei ein überzeugender und bedeutender englischer Europäer und europäischer Engländer, erklärte das Karlspreis-Direktorium am Sonntag in Aachen. Die Verleihung soll am 25. Mai im Krönungssaal des Aachener Rathauses stattfinden.

Garton Ash sehe eine Ursache für die Brexit-Entscheidung der Briten in komplexen gesellschaftlichen Veränderungen, etwa durch Digitalisierung und Globalisierung, sagte der Sprecher des Karlspreis-Direktoriums Jürgen Linden: "Er (Garton Ash) stellt sich die Frage, wie man an dieser Stelle den Menschen die Angst und die Zweifel nehmen kann, wie man andere davon abbringen kann, aggressiv oder gewalttätig zu werden."

Offener Dialog

Der Wissenschaftler fordere, dass Europa mit seinen Werten wie Selbstbestimmung, Wahrhaftigkeit oder Toleranz reagieren müsse. Die Gesellschaft müsse einen offenen Dialog führen. "Es ist ein Ansatz, der antipopulistisch ist und uns im Augenblick hilft, auf ein Auseinanderfallen der Gesellschaft zu reagieren", sagte Linden.

Das Werk des 61-jährigen Wissenschaftlers sei Anstoß einer vor allem in Europa notwendigen Debatte über Normen und Werte, stellte das Direktorium in seiner Begründung fest. Und in dieser Debatte dürfe man nicht Hasspredigern und Populisten das Feld überlassen. Die krisenhafte Situation Europas habe sich durch den Brexit weiter zugespitzt. Es müsse um die Frage gehen, wie die Zukunft Europas und der Gesellschaft aussehe. Diese Frage habe kein Politiker in diesem Jahr beantwortet, nannte Linden als einen Grund, warum kein Politiker die Auszeichnung bekommt.

Timothy Garton Ash ist der 59. Träger des Preises, der nach Karl dem Großen (747/748-814) benannt ist. Im vergangenen Jahr war Papst Franziskus in Rom mit dem Preis ausgezeichnet worden. (APA, 22.1.2017)