Fragt man Lehrlinge in der Gastronomie nach ihrer Zufriedenheit, klagen viele über nicht eingehaltene Arbeitszeitregeln.

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Wien – Bei der Auswahl des Lehrberufs fügen sich Österreichs Jugendliche wie eh und je in traditionelle Rollenbilder: Mädchen starten am häufigsten eine Lehre im Einzelhandel, als Bürokauffrau oder als Friseurin. Burschen zieht es hingegen zu Kfz-Technik, Elektroinstallationen und Maschinenbautechnik. Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) ist nicht die erste Politikerin, die das ändern will. Trotz bestehender Initiativen müsse mehr getan werden, um Sozialberufe für Burschen und technische Lehrstellen für Mädchen attraktiver zu machen, so Karmasin am Montag bei einer Pressekonferenz.

Anlass war die Präsentation einer Umfrage: Die von Studierenden geführte Unternehmensberatung Uniforce befragt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschaftspsychologie an der Uni Wien alljährlich Praktikanten und Lehrlinge von 30 österreichischen Unternehmen, wie zufrieden sie mit ihrem Ausbildungsverhältnis sind. Unternehmen soll das helfen, ihr Praktikums- und Stellenangebot auf die Bedürfnisse von Nachwuchskräften abzustimmen, potenzielle Bewerber sollen sich ein besseres Bild über angebotene Lehrstellen und Praktika machen können.

Zufriedener als der Durchschnitt

Besonders wichtig ist Praktikanten und Lehrlingen laut der nicht repräsentativen Umfrage, dass die Arbeitsstelle ihren persönlichen Interessen entspricht. Lehrlinge wünschen sich demnach in erster Linie, dass ihre Fähigkeiten stärker verbessert werden als bisher, außerdem eine klarere Kommunikation von Arbeitsinhalten. 85 Prozent der befragten Lehrlinge wollen auch nach dem Ende der Lehrzeit im Unternehmen bleiben.

Das entspricht auch anderen Erhebungen, die mit einer größeren Fallzahl arbeiten. Lehrlinge sind demnach mit ihrer Arbeitsstelle zufriedener als der Durchschnitt aller Arbeitnehmer. Es gibt aber große Unterschiede: In der Industrie und bei Unternehmen mit vielen Arbeitnehmern sind die Rückmeldungen besonders positiv. Hingegen klagen in Gastronomie und Tourismus viele Lehrlinge über nicht eingehaltene Arbeitszeitregeln. Nirgends ist der Anteil jener, die ihre Lehre abbrechen, höher.

Sicherheit statt Selbstverwirklichung

Philipp Ikrath vom Wiener Institut für Jugendkulturforschung erklärt, warum es nicht ihn verwundert, dass sich Lehrlinge bei Befragungen relativ zufrieden zeigen: "Ein Grund ist sicher, dass viele später vom Arbeitgeber in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen werden wollen." Es gebe aber auch andere Gründe. Im Vergleich zu jungen Akademikern würden Lehrlinge beispielsweise weniger Wert auf Selbstverwirklichung und dafür mehr auf Sicherheit und Kontinuität legen. Sie seien deshalb in gewisser Weise leichter zufrieden zu stellen.

Tourismus und Gastronomie nehmen demnach eine Sonderstellung ein: "Lehrlinge in diesen Branchen ticken anders als zum Beispiel jene in der Industrie. Sie sehen etwa Mobilität viel positiver und sich selbst resilienter gegenüber den Belastungen, die die Branche mit sich bringt."

"Wo kein Kläger ..."

Trotzdem brechen Gastro-Lehrlinge ihr Praktikum häufiger ab als andere, viele zeigen sich unzufrieden mit den Arbeitsverhältnissen. So sagen etwa in einer vom Institut für Jugendkulturforschung im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführten Studie 27 Prozent, dass sie unfreiwillige Überstunden leisten müssen. Und dass, obwohl Überstunden für unter 18-Jährige gesetzlich verboten sind.

Gerade im Tourismus und der Gastronomie, so Ikrath, können sich Betroffene schwer wehren. Rechtshilfe durch Betriebsrat oder Arbeiterkammer würde wenig in Anspruch genommen oder sei oft schlichtweg nicht vorhanden.

Erhebliche Unterschiede je nach Branche und Betriebsgröße sieht auch Martin Risak vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien. In großen Betrieben gebe es häufig Einrichtungen wie Lehrlingsbeauftragte oder Lehrwerkstätten, die einer abwechslungsreichen und qualitativ hochwertigen Ausbildung förderlich sind. In kleineren Betrieben sei die Qualität der Ausbildung dagegen oft ein Problem. "Bei Lehrlingen stellt sich immer die grundsätzliche Frage: Werden sie tatsächlich ausgebildet oder vom Unternehmen in erster Linie als günstige Arbeitskraft gesehen?", so der Arbeitsrechtler.

Problembereich Praktika

Und die größten Probleme bei Praktika? "Das klassische Argument von Unternehmern ist, dass Neuzugänge unabhängig vom Arbeitsverhältnis in den ersten Monaten nicht voll einsetzbar sind", sagt Risak. "Diese Eingangsphase wird von manchen Unternehmen von einem ordentlichen Dienstverhältnis ins billigere Praktikum verlagert." In den vergangenen Jahren habe sich daran wenig zum Besseren gewendet. Gerade Verwaltungspraktika im öffentlichen Dienst seien aufgrund des gestiegenen Spardrucks weit verbreitet: "Es gibt Stellen, die werden durchgängig mit Verwaltungspraktikanten besetzt."

Einen dramatischen Befund in Sachen Praktika stellte unlängst die Gewerkschaft der Privatangestellten auf Basis einer Umfrage: Weil immer mehr Jugendliche Angst hätten, keinen Job zu bekommen, würden viele schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika in Kauf nehmen. Jeder dritte Studierende arbeitet demnach gratis, knapp jeder zweite verdient weniger als 800 Euro im Monat. Ein Viertel der befragten Studierenden hat vier oder mehr Praktika absolviert.

Berufserfahrung und bessere Jobchancen, so wie es sich Jugendliche laut allen Befragungen erwarten, werden laut Gewerkschaft zu selten erfüllt. Realität sei oft, dass Praktikanten Hilfsdienste übernehmen.

Karmasin will Praktika für Flüchtlinge

Für Karmasin sind unbezahlte Praktika und Freiwilligenarbeit jedenfalls geeignete Maßnahmen, um Flüchtlinge besser in den Arbeitsmarkt einzubinden. "Dies ist ein gutes Instrument, um die Integration zu stärken", sagte Karmasin am Montag im Rahmen der Pressekonferenz. (Simon Moser, 23.1.2017)