Kellyanne Conway, Wahlkampfmanagerin und Beraterin des US-Präsidenten, hat am Wochenende einen Begriff geprägt, der uns wohl noch lange beschäftigen wird: Von "alternativen Fakten", die dem Trump-Team vorliegen würden, sprach sie in Bezug auf die Anzahl der Teilnehmer bei der Vereidigung des neuen Präsidenten. Medien hatten Luftaufnahmen der Inaugurationen von Trump 2017 und Obama 2009 nebeneinandergestellt, um zu zeigen, dass bei Trump weniger Menschen teilgenommen hatten als bei der ersten Amtseinführung von Barack Obama.

Sean Spicer, neuer Sprecher des Weißen Hauses, hatte Journalisten beim Pressebriefing "absichtlich falsche Berichterstattung" vorgeworfen und den Medien mit Konsequenzen gedroht, wenn sich nichts ändere: "Es wird in den Medien viel über die Verantwortung der Medien geredet, den Präsidenten rechenschaftspflichtig zu machen", sagte Spicer am Samstag. "Und ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass dies keine Einbahnstraße ist. Wir werden die Medien ebenfalls rechenschaftspflichtig machen. Das amerikanische Volk hat Besseres verdient." Das ist eine eindeutige Drohung, Sorgen bezüglich einer Repression der Medien in der Ära Trump sind mehr als angebracht. Überraschen kann das zum jetzigen Zeitpunkt aber niemanden mehr.

Im Gegenteil: Trumps Wahlkampf lebte unter anderem von Journalismusschelte. Klassische Medien wurden zum Establishment gezählt, das es zu bekämpfen gelte, während Trump selbst über Facebook und die sozialen Medien haarsträubende Halbwahrheiten streute. Hat man den Informationsfluss in sogenannten "Filterblasen" (abgeschlossenen Informations- und Meinungsräumen im Internet) erst einmal verstanden und weiß ihn für sich zu nutzen, braucht man die klassischen Medien nicht mehr, um mit seinen Wählerinnen und Wählern in Kontakt zu treten. Wer Follower hat, braucht keine Medienpräsenz. Kolumnisten, Leitartikler sowie investigativ arbeitende Journalisten stören aus populistischer Sicht nur beim Aufbau einer Marke. Dhruva Jaishankar vom US-Thinktank Brookings Institution spricht in diesem Zusammenhang vom Zeitalter der "digitalen Demokratie". Donald Trump ist sicher nicht der erste Profiteur dieser veränderten Medienwelt, aber wohl der erfolgreichste.

Diese Entwicklung einer Relativierung der Gatekeeper-Position, in deren Rahmen professionelle Schreiber die Politik hinterfragen, um Machtmissbrauch aufzudecken, stellt den Journalismus, der sich als vierte Gewalt begreift, vor ein massives Problem. Man wird sich viel stärker als zuvor mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie man mit Populisten – und zwar mit allen Populisten – umgeht. Und wie man die Filterblasen durchbrechen kann, anstatt selbst welche zu bilden. Langsam kommt ein selbstreflexiver Diskussionsprozess in die Gänge. Ein solcher kann allerdings nur fruchtbar sein, wenn man die gesellschaftlichen Verantwortung sozialer Netzwerke ebenfalls thematisiert. Die zentrale Konstante in dem Prozess muss aber auch die Erkenntnis sein, dass es nie wichtiger war als heute, kenntnisreich und tiefschürfend über Politik und ihre Folgen zu berichten. (Manuela Honsig-Erlenburg, 23.1.2017)