Wien – Bezüglich der Zukunft der Sozialversicherung werde derzeit mit einzelnen Maßnahmen Parteipolitik gemacht, ohne die langfristige Versorgung im Auge zu behalten, warnte Ulrike Rabmer-Koller, Chefin des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Dienstagabend bei einem Hintergrundgespräch. "Ich habe leider das Gefühl, dass die Sozialversicherung als Spielball der Politik verwendet wird", sagte die ÖVP-Wirtschaftsbündlerin anlässlich ihrer Wiederwahl, die am Dienstag einstimmig erfolgt war.

"Kurze Einmaleffekte"

Es brauche keinen "Plan A", wie ihn Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) vorgestellt hatte, sagte Rabmer-Koller. "A" stehe da für "Ausgaben". Es brauche einen "Plan Z" für "Zukunft". Kern fordert etwa die Auflösung der Rücklagen der Krankenkassen, was Rabmer-Koller kritisch sieht. Mittel sollten nicht für "kurzfristige Einmaleffekte" genutzt werden, sagte die Hauptverbandschefin und Unternehmerin. Sie wolle sich in der neuen Funktionsperiode dafür einsetzen, dass das Reformtempo erhöht wird.

Auch die Idee zur Streichung der Selbstbehalte für Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sei "parteipolitisch motiviert", sagte Rabmer-Koller. Da werde ein Versicherungsträger herausgenommen, dabei würden etwa auch von den Versicherten der Gebietskrankenkassen 435 Millionen Euro an Selbstzuzahlungen (von insgesamt rund 700 Millionen) geleistet.

Wenig Fortschritt bei Vorhaben

Zwar seien für die Sozialversicherung bereits Ziele erreicht worden – zum Beispiel Kinderreha-Standorte fixiert und die Primärversorgung im Finanzausgleich verankert worden, zentrale Vorhaben seien seit ihrer Bestellung im November 2015 aber "nicht wirklich weitergebracht" worden. Größere Schritte habe sie sich bei der Einrichtung der Primärversorgungszentren, bei E-Health und bei der Leistungsharmonisierung der Kassen erwartet. Auch das Thema der Eigenverantwortung im Gesundheitssystem und Prävention sei in letzter Zeit in gesundheitspolitischen Diskussionen zu kurz gekommen. Kindern müsse beigebracht werden, wie man gesund lebt – da brauche es in Kindergärten und Schulen mehr Maßnahmen dazu.

Kritik an Auftrag zu Effizienstudie

In der kommenden Funktionsperiode 2017 bis 2020 wolle sie die langfristige Finanzierung der Sozialversicherung sicherstellen und an einer Leistungsharmonisierung arbeiten. Zwar erhoffe sie sich Impulse von der Effizienzstudie, die Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) im Dezember 2016 um 630.000 Euro bei der London School of Economics in Auftrag gegeben hat – diese soll die unterschiedlichen Leistungen der verschiedenen Kassen analysieren und eine Verringerung der Zahl der Sozialversicherungsträger prüfen. Allerdings lese sich der Auftrag zur Studie so, als wolle man alle Leistungen nach oben hin anpassen, was dann eine Kostenexplosion zur Folge hätte – dies würde 1,2 Milliarden Euro kosten, sagte sie. Bestimmte Leistungen seien vielleicht nicht mehr notwendig. Man müsse diese durchforsten.

Katalog für Heilbehelfe

Derzeit erstelle eine Arbeitsgruppe des Hauptverbands einen Katalog für Heilbehelfe ("von der Brille bis zur Windel"), und es werde überlegt, wie was sozialversicherungsmäßig abdeckbar sei. Hier sei auch ein einheitlicher Leistungskatalog das Ziel.

Auch die Honorarordnung der Ärzte solle mit der Ärztekammer gemeinsam neu definiert und ausverhandelt werden. Allerdings könne man das erst nach der Ärztekammerwahl, die im Frühling stattfindet, angehen. Prinzipiell sei man sich mit der Kammer einig, die Honorarordnung zu überarbeiten.

Für das Jahr 2017 sei konkret die Ausrollung von Teweb, das im ersten Quartal in Probebetrieb gehen soll. Dabei sollen Patienten via Telefon beraten werden, wohin im Gesundheitssystem sie sich wenden sollen. Auch die E-Medikation solle heuer starten. Im vergangenen Jahr hatte es in der Steiermark dazu einen Probebetrieb gegeben, an dem teilnehmende Ärzte laut Ärztekammer aber ausgestiegen waren. Außerdem wird derzeit am "Mutter-Kind-Pass neu" gearbeitet. (spri, 25.1.2017)