Erni Mangold spielt ab Donnerstag in den Wiener Kammerspielen an der Seite von Meo Wulf in "Harold und Maude" (Regie: Fabian Alder): Ein morbider Jüngling wird von einer resoluten Dame in die Kunst des Lebens eingewiesen. Sie bilden ein romantisches Paar, gegen jede Wahrscheinlichkeit.

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Wien – Niemand kann ernstlich umhin, die große Volksschauspielerin Erni Mangold als zauberhaftes Wesen zu betrachten. Umso verblüffender, dass die Unvergleichliche auf die wesentlichste aller Zauberkünste mit großer Bereitwilligkeit Verzicht leistet.

Mangold, die heute 90 Jahre alt wird, kann alles. Als sie vor nicht allzu langer Zeit in Shakespeares Sommernachtstraum den Puck gab, einen schneidend bösen Naturgeist mit geschliffenem Mundwerk, da schien der Athener Wald vor ihr zurückzutreten. Der Gegenwert mehrerer Menschenleben war in dem Kobold aufgehoben. Und doch steckte Mangold sie in Sachen jugendlicher Ausstrahlung alle leichthin in den Sack: die schmachtenden Verliebten, Titania, den Esel, das ganze traumverlorene Pack.

Die unerhörte Wirkung dieser mit ewiger Jugend gesegneten Zauberin besteht in ihrer Weigerung, sich zu verwandeln. Mangold kann in jede Rolle hineinschlüpfen. Nur muss die Rolle der Mangold auch standhalten. Umgekehrt ist es leichter: In die immer noch edlen Züge der Schauspielerin mischt sich eine Prise Boshaftigkeit, ein Schalk, der vor nichts zurückschreckt, was der österreichischen Scheinheiligkeit lieb und teuer ist.

Gegen die Gewohnheit

Gegen schlechte Gewohnheiten hat sich Mangold immer zur Wehr gesetzt. Als Erna Goldmann im niederösterreichischen Großweikersdorf geboren, ging sie als Schauspielerin mit eiserner Konsequenz daran, die heimische Gefühlsseligkeit auszunüchtern.

In den Nachkriegsjahren schlug sie die Besucher des Josefstadt-Theaters mit subversivem Liebreiz in ihren Bann. Gleichzeitig zog sie bereits mit Helmut Qualtinger um die zerbombten Häuser. Sie weigerte sich, so zu tun, als wäre vor 1945 nichts Schreckliches geschehen. Die Welt lag ihr, aus nicht immer besonders ehrenwerten Gründen, zu Füßen. Mangold stieß die besonders hartnäckigen unter ihren Brautwerbern von sich und fütterte ihre Darstellungskunst mit wohldosierten Proben von Widerborstigkeit und Eigensinn.

Jahrelang spielte Mangold in Hamburg unter Gründgens und in Düsseldorf unter Stroux. Ihr Rollenmodell blieb auch jenseits simpler Repertoirefragen das der selbstbestimmten, zur Not aufsässigen Frau. Generationen von Schauspielschülern hat sie ein stolzes Standesbewusstsein eingeimpft. Fernsehkonsumenten führte sie die Vollendung der Volksstückästhetik drastisch vor Augen: Sie sang süß-raunzig den Blues der armen Leute, ohne jemals Miene zu machen, vor der Übermacht der Verhältnisse klein beizugeben. Heute, an ihrem 90. Ehrentag, gibt sie die Maude in den Kammerspielen der Josefstadt. Liebe und Aufrichtigkeit haben in jedem Alter Platz. Nach der Premiere wird die wunderbare Erni Mangold sich in ihr Refugium im Waldviertel zurückziehen. Über einen Zuruf wie "Ad multos annos!" würde sie wahrscheinlich in Gelächter ausbrechen. Doch ihre Augen würden funkeln. (Ronald Pohl, 26.1.2017)