Sebastian Kurz sucht die Öffentlichkeit, der Außenminister feilt sorgsam an seiner Selbstdarstellung. Kanzler Christian Kern, der das Gleiche tut, geht das gehörig auf die Nerven.

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Sebastian Kurz wird das Unverbrauchte zugeschrieben, ähnlich wie Christian Kern, er soll frischen Wind in die Partei und die Regierung bringen. Dabei wird vergessen, dass nur Reinhold Mitterlehner länger die ÖVP in der Koalition vertritt als Kurz. Der junge Schwarze ist, in Regierungsjahren gerechnet, ein alter Hase. 2011 wurde er als Integrationsstaatssekretär berufen, zwei Jahre später wurde er Außenminister.

Kurz gilt nicht nur als Zukunftshoffnung der ÖVP, er ist auch das große Feindbild der SPÖ. Kanzler Kern findet keinen Zugang zu dem 30-Jährigen, weder auf persönlicher noch auf sachlicher Ebene. Mehrfach soll er sich darüber beschwert haben, dass Kurz für ihn nicht "greifbar" sei. Termine kämen nicht zustande, bei wesentlichen Meetings sei der Außenminister nicht dabei, beim Integrationspaket kommen SPÖ und ÖVP nicht zusammen.

Duell oder Dreikampf

Die guten Umfragewerte, die Kurz nach wie vor hat, legen nahe, dass er der schwarze Herausforderer von Kern sein wird. Das passt dem Kanzler gar nicht in den Kram, er sucht die Auseinandersetzung mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Ein Duell mit diesem lässt sich in einem Wahlkampf besser inszenieren als ein Dreikampf.

Derzeit sieht die SPÖ Kurz als Hauptverantwortlichen für den Stillstand in der Koalition, auch wenn die Themen, um die vordergründig gestritten wird, nichts oder nur am Rande mit den Kompetenzen des Außenministers zu tun haben. Die Roten versuchen mit ihren Schuldzuweisungen auch, einen Keil in die ÖVP zu treiben, vor allem zwischen Kurz und Nochparteichef Mitterlehner. Der Vizekanzler sei ja willig, heißt es aus SPÖ-Kreisen, aber Kurz und seine Truppe würden blockieren. Auch das Wort "Putsch" ist in diesem Zusammenhang gefallen. Kern formuliert das vorsichtiger: "Ich erwarte mir Leadership", er setze auf Mitterlehner, er habe sein Team zu führen. Ob dieser stark genug sei, sich in seiner Partei durchzusetzen, will Kern so nicht beantworten, das würden die kommenden Tage zeigen.

Kein "Putsch"

Kurz ist von diesen Zuschreibungen irritiert. Zum einen mische er sich nicht in Themenbereiche ein, die ihn nichts angehen, zum anderen sei er mit seinen Aufgaben als Außenminister mehr als ausgelastet. Er führe mit Sicherheit keinen "Putsch" an.

Tatsache ist aber, dass viele Kräfte in der ÖVP auf Kurz als Nachfolger setzen und mit ihm als Spitzenkandidaten in die nächste Wahl gehen wollen, wann auch immer diese stattfinden wird. Dass Kurz beharrlich abwinkt und darauf verweist, dass er unter diesen Umständen nicht zur Verfügung stehe, wird in seiner Partei ebenso beharrlich ignoriert.

Parteiintern hat Mitterlehner derzeit wieder Aufwind, er tritt selbstbewusster auf als noch vor ein paar Monaten, als ihm eine gewisse Resignation schon anzumerken war. Und Kurz' Fankreis ist deutlich ruhiger geworden. Der bevorstehende Abgang von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll dürfte hier eine Rolle spielen, er gilt als einer der vehementesten Befürworter von Kurz. Am niederösterreichischen Rückhalt für den 30-Jährigen dürfte sich aber auch unter der designierten Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner nicht viel ändern. Die allgemeine Ansicht in der Volkspartei: Wenn man Kurz sehr bitten würde, dann würde er das schon machen.

Kurz hat allerdings deutlich und in allen Parteikreisen formuliert, dass er die Nachfolge keinesfalls als Vizekanzler neben Kanzler Kern übernehmen wolle. Offenbar hat es von Kurz aber schon Überlegungen gegeben, unter welchen Umständen er bereit wäre, als Spitzenkandidat in einen Wahlkampf zu gehen. Diesen Plänen machten aber die politische Entwicklung und gezielte Indiskretionen einen Strich durch die Rechnung. Vonseiten der Neos wird über sehr konkrete Verhandlungen mit Kurz berichtet, was dieser aber energisch bestreitet.

Gescheiterte Wahlplattform

Aus Neos-Kreisen ist allerdings zu hören, dass die publik gewordene Wahlplattform aus Kurz, Neos und Irmgard Griss durchaus einen realen Hintergrund gehabt habe: Kurz habe die Möglichkeit einer Partnerschaft ausgelotet, die es ihm ermöglichen sollte, den ersten Platz bei Wahlen einzufahren. Die Neos hätten sogar auf ein eigenständiges Antreten verzichtet, Griss hätte als Bindeglied zwischen rechtskonservativen und neoliberalen Wählern fungiert.

Kurz ging jedoch von einem Wahlsieg des freiheitlichen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer aus – und er hatte nicht mit den internen Widerständen gerechnet, die sich bei den Neos formierten. Letztendlich zerschlugen sich die Gespräche.

Der Außenminister konzentriert sich derzeit wieder mehr auf seine Auftritte auf der internationalen Bühne, der OSZE-Vorsitz ist anspruchsvoll, bietet aber auch einen guten Rahmen für die eigene Darstellung. Der Innenpolitik versucht Kurz aus dem Weg zu gehen, nur nicht anstreifen, seine Zeit wird noch kommen. Das glaubt Kurz, das hoffen seine Anhänger, das fürchtet die SPÖ. (Marie-Theres Egyed, Michael Völker, 25.1.2017)