Familienministerin Sophie Karmasin will Sonderschulen erhalten.

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Wien – In der Debatte um die Abschaffung der Sonderschulen pocht Familienministerin Sophie Karmasin auf Wahlfreiheit für die Eltern behinderter Kinder. Anders als Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ), die möchte, dass im Jahr 2020 Sonderschulen nur noch die "Ausnahme" sind und behinderte Kinder in inklusiven Mittelschulen unterrichtet werden, tritt die Familienministerin für den Erhalt der Sonderschulen ein: "Ich bin dafür, im Interesse der betroffenen Kinder alle Möglichkeiten zu belassen: von Sonderschulbetreuung bis hin zu inklusiven Schulformen", sagte Karmasin im STANDARD-Gespräch.

Warnung der Lehrergewerkschaft

Zuletzt hatte Pflichtschullehrergewerkschaftschef Paul Kimberger im STANDARD gewarnt, dass eine Abschaffung der Sonderschulen ohne adäquate Ressourcen Kinder und Lehrer überfordern würde.

Karmasin berichtet von Eltern, die ihr bei mehreren Besuchen in speziellen Einrichtungen wie dem Elisabethinum in Axams in Tirol, einem Förderzentrum für körper- und mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche, oder der Hans-Radl-Schule in Wien, einem Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik, "sehr einleuchtend und nachvollziehbar geschildert haben, dass sie für ihre behinderten Kinder natürlich maximalen Anschluss an andere Kinder wollen, also Inklusion, wo es nur geht, aber sie wollen auch individuelle Rücksichtnahme und Betreuung, wo es notwendig ist".

In der Regelschule gemobbt

Das bedeute, dass viele ihre Kinder eben in speziell ausgestatteten sonderpädagogischen Schulzentren besser aufgehoben sehen würden als in Regelschulklassen, "wo diese Kinder oft auch gemobbt werden. Der Gedanke, dass alle Kinder – egal ob mit oder ohne Behinderung – miteinander in die Schule gehen, ist gut, aber es kommt auf das Kind und seine Bedürfnisse an." Für Karmasin ist das Prinzip Wahlfreiheit auch hier das Um und Auf: "Je nach Kind muss es gestattet sein, dass Eltern im Austausch mit Lehrern, Psychologen oder Ärzten entscheiden können, welche Schulform ihrem Kind am gerechtesten wird, wo es seiner individuellen Lage entsprechend am besten gefördert wird. Es gibt unterschiedliche Formen von Behinderung. Diesen sollte die Schule gerecht werden."

Nicht alles geht inklusiv

Es gebe Fälle von Behinderung, "die nicht inklusiv in der Schule betreut werden können", sagt Karmasin und nennt als Beispiel ein Kind, das an einem Vormittag mehrere epileptische Anfälle habe: "Das ist ohne medizinisches Personal nicht machbar."

Sie stellt aber auch die Frage, "ob die Abschaffung der Sonderschulen nicht ein reines Sparprogramm ist". Gleichzeitig sei klar, dass Inklusion im Regelschulsystem mehr koste, weil bauliche und personelle Adaptionen nötig seien, um Inklusion zu realisieren. (Lisa Nimmervoll, 26.1.2017)