Michael Ehmann, erst seit wenigen Monaten Parteichef, hofft trotz schlechter Umfragewerte auf eine Trendwende für die seit Jahren Richtung Kleinpartei abbröckelnde Grazer SPÖ.

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Graz – Autsch. Das hat wirklich wehgetan. Jetzt holpert der Wahlkampf ohnehin dahin, und dann das: Der in der SPÖ sozialisierte tiefrote ehemalige Grazer Kulturstadtrat und Klubchef Michael Grossmann wechselt ins ÖVP-Lager von Bürgermeister Siegfried Nagl. Da ihn "seine" SPÖ offenbar nicht mehr brauchte, holte ihn Nagl an seine Seite und geht nun mit Grossmann als möglichem neuem ÖVP-Kulturstadtrat in die Endphase des Wahlkampfs. Am 5. Februar wird in Graz der neue Gemeinderat gewählt.

Tiefflug der Grazer Roten

SPÖ-Landeschef Michael Schickhofer wurde von Nagls Coup kalt erwischt und knurrte: "Michael Grossmann wird sofort aus der SPÖ ausgeschlossen." Der tapfer wahlkämpfende Grazer SPÖ-Vorsitzende Michael Ehmann fand nur noch sarkastische Worte: "Michael Grossmann hat sich heute als unabhängiger Unterstützer der ÖVP angeboten, ich mache ihn nun zu einem echten Unabhängigen." Politikwissenschafter Peter Filzmaier sieht für die Grazer Roten jedenfalls schwarz. Der Wechsel des prominenten Ex-SPÖ-Politikers zur ÖVP habe den Tiefflug der Grazer Roten nur beschleunigt. Letzten Umfragen zufolge rangiert die SPÖ bei nur noch zehn Prozent. Auch für die ÖVP eine unangenehme Entwicklung, denn Nagl wünscht sich ausdrücklich die SPÖ als Koalitionspartner.

Im Grunde hat die SPÖ seit Altbürgermeister Alfred Stingl – auch durch permanente interne Streitereien – ständig an Boden verloren, sagt Politikberater Thomas Hofer. "Abgestaubt hat nicht nur die FPÖ, sondern vor allem auch die KPÖ, die sich hier als Protestwähleralternative und soziale Partei etabliert hat", sagt Hofer.

"Strukturen weggebrochen"

Filzmaier sieht jedenfalls kaum noch eine Chance, dass sich die SPÖ erholen könnte, da ihr mittlerweile auch die Strukturen weggebrochen seien. "Die SPÖ war einst die strukturstärkste Partei mit ihren Sektionen in den Bezirken, dem ÖGB. Das ist alles weitgehend vorbei", sagt Filzmaier.

Die Grazer SPÖ habe eine bittere Wahrheit bis heute innerlich nicht akzeptiert: Die Partei sei eben von einer Groß- zu einer de facto Kleinpartei geschrumpft. Benehme sich aber nach wie vor wie eine große Partei.

Die SPÖ in Graz könne sich auch nicht – wie die FPÖ – auf Rückenwind aus Wien verlassen. Bundesparteichef Christian Kern versuche stattdessen "ja nicht an Graz anzustreifen". "Er hätte ja seine Rede auch in Graz halten können. Hat er aber nicht. Wenn er Erster werden will, macht sich ein Bild in der zweitgrößten Stadt, wo seine Partei eventuell nur noch einstellig ist, sicher nicht gut", sagt Filzmaier. Für die SPÖ gebe es momentan einfach keine wirklich funktionierende politische Nische neben ÖVP, FPÖ, Grünen und KPÖ, die viele ehemalige SPÖ-Bereiche abdecken.

Ehmann von Trendwende überzeugt

Michael Ehmann zeigt sich von den düsteren Prognosen unbeeindruckt: "Ich habe gute Rückmeldungen, und ich glaube, dass wir die Trendwende schaffen werden. Natürlich war die Zeit für mich sehr kurz, ich bin ja noch nicht lange verantwortlich für die Partei, aber wir haben wieder mehr Parteieintritte als -austritte." Der SPÖ-Chef hofft und will fest daran glauben, "dass sich die Experten wie schon beim letzten Mal kräftig täuschen". (Walter Müller, 26.1.2017)