Der Musicalchef Christian Struppeck: "Man kann nicht planen, immer ausverkauft zu sein ..."


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Wien – Denkt Christian Struppeck, Chef der Musicalsparte der Vereinigten Bühnen Wien (VBW), an die große weite Welt, bekommt die diskrete Art des Deutschen Flügel: "Wir lizenzieren Produktionen in 21 Ländern, das sind in etwa 700.000 bis eine Million Tickets pro Jahr, wir sind der größte Exporteur Europas. Das bringt Geld, ist eine wichtige Stütze, und wir werden wahrgenommen. Trevor Nunn, der "Schikaneder" inszeniert hat, könnte überall arbeiten, er müsste nicht nach Wien kommen. Den bekommt man nur, wenn es sich herumspricht, dass hier Qualität wartet, und er wirklich Lust hat, hier zu inszenieren."

Die Welt ist aber leider nicht genug, launisch ist der lokale Markt. Und läuft ein Stück nicht überbordend gut, feiert die grundsätzliche Musicalskepsis gleich Feste. Und auch wenn Struppeck versteht, dass angesichts der Rahmenbedingungen der "Wienkultur" seine zwei Häuser für strukturelle Geldprobleme als Prügelknabe herhalten müssen, diagnostiziert er Unfairness: "'Schikaneder' ist mit 70 Prozent Auslastung zehn Prozent unter den Erwartungen geblieben. Der Vorwurf, es habe überhaupt nicht funktioniert, ist übertrieben und tut weh. Neue Stücke zu entwickeln gehört außerdem zu meiner Aufgabe."

In dem renommierten Fachblatt "The Stage" wäre jedenfalls gestanden, "das beste Musical 2016 sei nicht in London, sondern mit "Schikaneder" in Wien zu sehen gewesen. In New York habe ich Gespräche wegen einer möglichen Übernahme des Stücks, und anekdotisch: Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender, der uns nicht immer wohlgesonnen war, hat gesagt, wir wüssten gar nicht, was uns da gelungen sei. Aber ja, wir haben mehr erwartet."

Neben Imagefragen hat Struppeck, dessen VBW-Teil plus Oper quasi ein Elefant im Wiener Budgetladen ist, paradoxerweise auch Finanzhürden zu nehmen. "Jetzt wird es um 2018 und zwei Folgejahre gehen. Franz Patay, Nachfolger von Thomas Drozda, wird es darlegen: 42 Millionen für die gesamten VBW bräuchten wir jährlich, wovon rund die Hälfte der Subvention zum Theater an der Wien fließt und der Rest auf Ronacher und Raimundtheater aufgeteilt wird. Diese Summe ist in einer Studie als notwendig festgestellt worden. 39,5 Millionen können nicht funktionieren, wir starten da mit einer Unterfinanzierung. 2015 wurde ja rückwirkend von 41 Millionen auf 39,5 gekürzt – entgegen der Vereinbarung."

Geplante volle Hütte

Zu hoch seien letztlich auch die Erwartungen an dieses Musicalmodell: "Man kann nicht planen, immer ausverkauft zu sein. Man darf zwar hoffen, dass ein Stück durch die Decke geht. Aber als Vorgabe ist das belastend. Dass jede Produktion deutlich über 90 Prozent ausgelastet wird, ist unrealistisch." Er habe das alles gewusst, als er kam, meint Struppeck. "Aber das Ausmaß war mir nicht bewusst. Wir haben uns prüfen lassen und gefragt: ,Seht ihr noch etwas, was wir kürzen können?' Die Antwort war ,Nein'. Großes Musical – auf Weltniveau – in diesem System geht nicht billiger. Man muss darüber sprechen, ob man es weiter will." Die internationale Realität sei übrigens: "Auch für den Broadway werden Stücke oft an subventionierten Häusern vorentwickelt. Und nur jedes zehnte am Broadway trägt sich. Wir haben immerhin an die 500.000 Besucher jährlich."

Nun also "Don Camillo & Peppone", der Streit zwischen dem Pfarrer Don Camillo und dem kommunistischen Bürgermeister Peppone als Kooperation mit St. Gallen: "Wir haben es dort entwickelt, die Kosten geteilt, nun zieht es um. Michael Kunze hat eine charmante Parabel geschrieben. Es geht darum, miteinander trotz politischer Unterschiede auszukommen. Das Thema ist sehr aktuell, Ernstes und Heiteres halten einander im Stück aber die Waage. Ob Gott eine Arie hat? Nein, Gott spricht!"

Struppeck plant, seinem Auftrag gemäß, fleißig weiter: "'Tanz der Vampire' kommt wieder, 'Der Dritte Mann' wird noch geschrieben, 'Casanova' ist auch in Arbeit. Und Fendrichs "I am From Austria" kommt am 16. September. Wie ich Udo Jürgens von "Ich war noch niemals in New York" überzeugen musste, so musste ich auch Fendrich erst überzeugen. Leichtfertig hat er dem Musical nicht zugestimmt, das eine romantische Komödie ist. Ein Hollywoodstar aus Österreich kommt zum Opernball und begegnet quasi seinem Land wieder."

Wie entsteht so etwas? "Es werden Fendrichs Songs gewählt, dann wird um sie eine Geschichte gebaut. Das ist eine Denksportaufgabe, schwerer, als ein neues Stück zu schreiben." Aber wohl der eigentliche Intendantenspaß. (Ljubiša Tošić, 27.1.2017)