Beim Besuch des neuen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zeigten sich Bundeskanzler Christian Kern und sein Vize Reinhold Mitterlehner gut gelaunt. Kern versuchte sich als Fotograf.

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Donnerstagnachmittag im Wartezimmer des neuen Bundespräsidenten: Alois Stöger, Sebastian Kurz, Wolfgang Brandstetter, Andrä Rupprechter und Sophie Karmasin (von links). Am Abend dürfen einige Minister mit der Regierungsspitze verhandeln.

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Wien – Die ersten Gespräche seien durchaus konstruktiv verlaufen, dennoch wollte man sich auf SPÖ-Seite am Donnerstag noch nicht darauf festlegen, ob eine Einigung mit der ÖVP möglich sei – oder ob nicht doch die Zeiten auf Sturm stünden.

In der Sechserrunde, die am Mittwoch tagte und am Donnerstag die Vorbereitungen für die Einbindung der einzelnen Ressorts traf, seien die "tendenziell konstruktiven" Kräfte der ÖVP vertreten gewesen, und es sei nach wie vor nicht sicher, ob es Parteichef Reinhold Mitterlehner gelingen würde, seine gesamte Mannschaft auf Linie zu kriegen. Das Drohpotenzial, das Kanzler Christian Kern aufgebaut hatte, Einigung oder Neuwahl, blieb also bestehen.

Keine Provokationen

In ÖVP-Kreisen herrschte zum Teil Verwunderung ob der Kern'schen Verhandlungstaktik. Am Dienstag, als der Kanzler dem Koalitionspartner ein Ultimatum bis Freitag gestellt hatte, gingen die Schwarzen noch davon aus, dass es der SPÖ-Chef nun tatsächlich auf Neuwahlen angelegt hat. In den Folgetagen hat sich die Einschätzung wieder gedreht. In den Verhandlungen sei von SPÖ-Seite kein Vorschlag gekommen, der von den Schwarzen als absolute Provokation gewertet würde.

Reinhold Mitterlehner hätte sich die Frist schon vor Wochen gesetzt und ist zuversichtlich.
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Passend dazu ist aus der SPÖ zu hören: Man werde sich auf Reizthemen wie eine Erbschaftssteuer nicht versteifen, es gehe erst einmal um ein Arbeitsprogramm für 18 Monate.

"Vielleicht hat Kern auch kalte Füße bekommen", glaubt ein ÖVP-Insider. Oder er sei einfach nur dünnhäutig, wenn er sich tatsächlich von Familienministerin Sophie Karmasin provozieren habe lassen. Zur Erinnerung: Karmasin war es, die der SPÖ am Dienstag vor dem Ministerrat als Erste unterstellt hatte, Neuwahlen anzusteuern.

Führerschein und Laptops

Inhaltlich habe man sich in vielen Bereichen angenähert, hieß es, besonders was Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit und die Unternehmensförderung betrifft. Abgesehen von diesen Themen fordert Kern beispielsweise auch einen Gratisführerschein für alle Lehrlinge sowie Laptops oder Tablets für alle Schüler – Anliegen, die auch in seinem Plan A stehen.

Die Schwarzen drängen darauf, Maßnahmen gegen die kalte Progression zu beschließen, die geplante Arbeitszeitflexibilisierung umzusetzen, bei der die SPÖ ohnedies weit entgegengekommen ist, und Maßnahmen zur Senkung der Flüchtlingszahlen festzuschreiben.

Konkret formulieren

Kern dränge jedenfalls darauf, die Kompromisse möglichst konkret zu formulieren, damit dann nicht später wieder nachverhandelt werden muss oder die Frage auftaucht, ob Maßnahmen überhaupt ausfinanziert seien, meint ein SPÖ-Vertreter.

Am Donnerstagabend ab 18 Uhr waren die Vertreter der Ressorts nacheinander in die Sechserrunde der Hauptverhandler vorgeladen, auch die Sozialpartnerchefs Christoph Leitl (Wirtschaftskammer) und Erich Foglar (Gewerkschaft) waren angekündigt. "Das sind noch nicht die Sterbensglöckerl der Regierung", zeigte sich Leitl überzeugt.

Bis weit nach Mitternacht sollte verhandelt werden, die Themen waren Sicherheit und Integration, Bildung, eine Wahlrechtsreform und Arbeit. Da man etwas langsamer als erhofft unterwegs war, wurden die Verhandlungen über Innovation und ein Start-up-Paket, das Kern ein besonderes Anliegen ist und das auch Mitterlehner seiner Klientel gut verkaufen könnte, auf Freitagfrüh verschoben.

"Müssen uns bewegen"

Im Sicherheitsbereich herrsche "weitestgehend Einigkeit", hieß es, auch bei der Integration sollte es eine Lösung geben. "Wir sind uns bewusst, dass wir uns bewegen müssen", heißt es aus der Umgebung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der mit Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) verhandelt. Diese Bereitschaft müsse aber für beide Seiten gelten.

Kurz hat ein Integrationspaket mit seinen eigenen Ideen fertig auf dem Tisch liegen, ebenso Duzdar. Heikle Punkte sind eine gemeinnützige Arbeitsverpflichtung für Flüchtlinge, die keinen Job finden, das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und das Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum. (Günther Oswald, Michael Völker, 26.1.2017)