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"Nasty woman" steht auf ihrem Gesicht geschrieben. Eine Demonstrantin beim Women's March in Washington.

Foto: REUTERS/JOSHUA ROBERTS

Sie hatten es angekündigt und sie sind zahlreich gekommen. Über drei Millionen Frauen haben in den USA am Women's March teilgenommen und gegen den frisch vereidigten Präsidenten Donald Trump und dessen Politik protestiert. Die Reaktionen der Gegenseite darauf waren so vorhersehbar wie gruselig, wenn man sich vor Augen führt, dass sie das Repertoire umreißen, aus dem im angebrochenen Zeitalter der alternativen Fakten geschöpft wird: Falsch, es waren viel weniger, und überhaupt hätten die ja alle wählen gehen können.

Der Begriff "nasty"

Garniert wird diese "Stimmt ja gar nicht!"-Pausenhofrhetorik mit der inzwischen gängigen Denunziation von Frauen als "nasty". Als hysterische, fiese Weiber, die gegen alle Vernunft den ihnen zugewiesenen Platz verlassen, um andere mit ihren Ansichten zu belästigen und männliche Autorität herauszufordern. Als Zicken, mit denen definitiv irgendwas nicht stimmt. Der Begriff "nasty" hat in diesem Zusammenhang eine lange, unrühmliche Geschichte, und Donald Trump ist weder der erste noch der letzte Mann, der ihn benutzt.

Und auch wenn wir im deutschsprachigen Raum nicht über einen so reichhaltig abwertenden Begriff als adäquate Übersetzung verfügen, mangelt es doch nicht an Versuchen. Dem Sprecher der thüringischen AfD, Stefan Möller, zum Beispiel gehen "diese hysterischen wohlstandsverwöhnten linken Weiber auf den Senkel". Zudem findet er es schade und feige, dass die Teilnehmerinnen des Women's March nicht in Saudi-Arabien gegen Homophobie und Intoleranz demonstrieren. Hui, das ist aber mal eine Ansage! Unglaublich mutig meldet sich da eben jener ostzonale Unternehmensanwalt und Landtagsabgeordneter zu Wort, der bekanntermaßen gerade erst von einer ausgedehnten Protesttour durch Saudi-Arabien zurückgekehrt ist und nun damit beginnt, Unsummen von Geldern einzuwerben, um Scharen von demonstrationswilligen Frauen die Reise an den Ort des eigentlichen Unrechts zu ermöglichen.

Nicht zu unterschätzender Machtfaktor

Oder so ähnlich. Auch das gehört anscheinend zu den alternativen Fakten: Politischen Protest immer dann als feige zu benennen, wenn er sich nicht mit meinen eigenen Überzeugungen deckt. Nach dieser Logik spielt es überhaupt keine Rolle, gegen welche Widrigkeiten der Protest tatsächlich organisiert wurde, sondern nur was ich von ihm halte. Es ist auch unerheblich, dass jemand, der auf Facebook kundtut, wie sehr ihm etwas "auf den Senkel geht", damit womöglich weniger aktiv wird als weltweit knapp fünf Millionen Menschen, die auf die Straße gehen, um ihr demokratisch verbrieftes Demonstrationsrecht wahrzunehmen.

Diese ganzen fiesen Frauen, die immer zum falschen Zeitpunkt die Küche verlassen (Obamas Inauguration, Women's March), und nie, wenn es wirklich wichtig wäre (Trumps Inauguration). Sie sind ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor und haben gerade erst gezeigt, wie schlagkräftig sie Argumente und Widerstand nicht nur vernetzen, sondern auch realisieren können. Deswegen möchte man ihrer auch so dringend Herr werden. Um diesen fiesen Frauen endlich ihre "Nastyness" auszutreiben.

Gegen hohlbratzige Übergriffigkeit

Jene Eigenschaften also, die eine kluge Kollegin mal als "die Poesie des Fuck you" beschrieben hat: Meinung, Haltung, selbstbestimmte Sexualität. Sich nicht dafür entschuldigen, wenn frau recht hat. Sich nicht für Komplimente bedanken, die frau nicht hören will. Forderungen aufstellen, Vorurteile umrempeln, Platz da, jetzt komme ich! Dinge verweigern. Mit mir nicht! Für jede hohlbratzige Übergriffigkeit ein Fuck you!

Und ja, gut möglich, dass auch einige für mich dabei sind und ich mich manchmal fragen werde, ob das nicht alles auch ein bisschen netter geht. Aber da nett in diesem Fall der kleine Bruder von "Grab them by the pussy!" ist, geht das schon in Ordnung mit dem Fuck you! und dem Fies-Sein. In einer Zeit, in der Abtreibungen wieder skandalisiert und verunmöglicht werden sollen, Bürgerrechte außer Kraft gesetzt werden und immer mehr Menschen ihren politischen Willen durch die Ausgrenzung von Mitmenschen bekunden, kann es gar nicht genug fiese Frauen geben. Frauen, die zu Revolution aufrufen. Frauen, die die Schnauze voll haben.

Entertainment Tonight

Frauen, die ihre Schuhe schnüren, um anderen damit auf den Senkel zu gehen. Die bei der patriarchalen Neuaufführung von "Der Widerspenstigen Zähmung" mit den Füßen trampeln und Buuh! rufen. Gerne so fies wie möglich. (Nils Pickert, 29.1.2017)