Zu Besuch bei der Integrationsgruppe im städtischen Kindergarten in der Franklinstraße 28 in Wien: Roxana Wimberger (24), angehende Kindergarten-Assistenzpädagogin, übt mit Samantha (2) Gebärden.

Foto: Regine Hendrich

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch Nadine Pfleger ist Praktikantin in der Franklinstraße 28. Dass Gehörlose im Kindergarten als Pädagogen arbeiten dürfen, ist ein Novum. Bisher konnten sie nur Hilfsarbeiten übernehmen.

Foto: Regine Hendrich

Nicht nur gehörlosen, auch hörenden Kindern wird in der Integrationsgruppe in der Franklinstraße spielerisch das Gebärden beigebracht.

Foto: ho

Essen, trinken, spielen. Diese Wörter spricht Samantha nicht aus – sie zeigt sie mit ihren Händen: Die Zweijährige, schwarzes T-Shirt, rosa Band in den Haaren, ist gehörlos. Ihre Sprache sind Gesten. Dass sie für Essen mit dem Zeigefinger zum Mund zeigen soll, für Trinken mit dem Daumen und dass man, um Spielen zu deuten, die Fingerspitzen wie zu kleinen Knospen zusammenführen muss, übt mit ihr Roxana Wimberger.

Die 24-Jährige absolviert derzeit im Kindergarten in der Franklinstraße 28 in Wien-Floridsdorf ein Praktikum für ihre Ausbildung zur Kindergartenassistenzpädagogin. Sie hat ebenfalls eine Hörbeeinträchtigung.

Neuer Beruf geschaffen

Dass Gehörlose im Kindergarten als Pädagogen arbeiten dürfen, ist ein Novum. Bisher konnten sie nur Hilfsarbeiten übernehmen. Grund ist der Passus der Berufseignung: Er sieht Voraussetzungen vor, die Gehörlose nicht erfüllen können – schließlich können sie nicht gleichermaßen mit Kindern singen oder musizieren wie Hörende.

Seit der Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres herrscht allerdings Personalmangel – die Stadt Wien schuf mit den Kindergartenassistenzpädagogen ein neues Berufsbild. Die Ausbildung steht Hörenden und Gehörlosen offen, für Letztere sind die Anforderungen jedoch andere: Sie können etwa Gehörlosenpoesie zeigen anstatt vorzusingen.

Insgesamt lassen sich derzeit 135 Studierende an der bafep21 und der Schule für AssistenzpädagogInnen der Stadt Wien ausbilden. Davon haben sechs eine Hörbeeinträchtigung. Sie belegen großteils dieselben Fächer wie die hörenden Studenten, anstatt Gitarre lernen sie Flöte oder Akkordeon. Teil der Ausbildung sind zwei Praxiswochen und ein Praxistag pro Woche. Absolventinnen und Absolventen unterstützen die Kinderpädagoginnen bei der Arbeit.

Längerer Weg zum Ziel

Ihr Wunsch sei es immer schon gewesen, mit Kindern zu arbeiten, sagt Wimberger. Davor hat die junge Frau Ausbildungen zur Köchin und Floristin begonnen – jedoch schnell gemerkt, "dass das nichts für mich ist". Vier Jahre lang war Roxana Wimberger arbeitslos.

Dass der Weg zum beruflichen Ziel oft ein längerer ist, weiß auch Nadine Pfleger (29) zu berichten. Sie ist ebenfalls angehende Kindergartenassistenzpädagogin und Praktikantin in der Franklinstraße 28. Pfleger hat zuvor bereits fix in einem anderen Kindergarten gearbeitet, dort aufgeräumt, Essen vorbereitet – der Gehörbeeinträchtigten fehlte es jedoch an einer pädagogischen Ausbildung. "Ich habe immer wieder gebeten, dass man mich informiert, wenn es etwas für mich gibt", sagt Pfleger.

Erfahren habe sie vom neuen Berufsbild erst, als der erste gehörlose Praktikant in ihren Kindergarten kam. Für den heutigen Termin hat sich Pfleger notiert, was sie die Öffentlichkeit wissen lassen will. "Ich hoffe, dass es andere nach mir leichter haben werden", steht auf dem karierten Zettel.

Gebärden allen lehren

Gehörlose würden auf ihrem Karriereweg vor viele unnötige Hürden gestellt, kritisiert Sabine Czasch, Mitarbeiterin bei Equalizent, einem Schulungszentrum für Gehörlose in Wien. "Viele denken, sie könnten keine guten Mechatroniker oder Kfz-Mechaniker sein." Vorurteile, denen die Pädagogin entschieden entgegentreten will: "Es mag sein, dass es ihnen an einem Sinn fehlt, dafür sind ihre anderen Sinne stärker ausgebildet", sagt Czasch.

Dass Menschen mit Beeinträchtigungen aus vielen Berufen ausgeschlossen würden, findet Pfleger unfair. "Klar, ein Blinder kann nicht Formel-1-Fahrer werden – aber wieso sollen Gehörlose nicht im Kindergarten arbeiten?" Sie könne sich gut mit den Kindern verständigen, sagt die junge Frau, "denn die kommunizieren ganz intuitiv".

Profitieren könnten von der Gebärdensprache deshalb alle, meint wiederum Pädagogin Czasch. Sie wünscht sich, dass Kinder nicht nur in den Fremdsprachen Englisch oder Französisch, sondern eben auch in Gebärdensprache unterrichtet werden. Das helfe vor allem jenen mit Sprachproblemen. (Lisa Breit, 30.1.2017)