Hat eine besondere Beziehung zu Linz und reiste unlängst zu Orchesterproben an – Philip Glass.

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Linz – War er es? Hat er es der Welt ins Ohr gesetzt, dieses ewige Auf und Ab, diese wellenartigen Motive, die sich permutierend durch verwandte Harmoniestufen bewegen? Darf Philip Glass spätestens seit seiner Musik zu Koyaanis-qatsi (1982) als Vater allen leicht hypnotischen Film- und Fernsehmusikhintergrundplätscherns à la Yann Tiersen, Ludovico Einaudi und Co bezeichnet werden?

Jedenfalls hat der Amerikaner seitdem nicht mehr abgelassen von diesen repetitiven Strukturen, hat sie (unter anderem) in seiner Musik zu den Filmen The Truman Show und The Hours eingesetzt. Schnell komponiert, wirkungsvoll und ungeheuer beliebt – was will der Tonsetzer mehr? Jedenfalls trifft man auch in Glass' Neuheit, der elften Symphonie, auf die motivischen Berg-und-Tal-Fahrten: Die ersten Geigen des Bruckner Orchesters Linz sind auf einige Zeit gut damit beschäftigt.

Zweite Heimat Linz

Es probt der Klangkörper die Elfte in Anwesenheit von Glass. Er wird am 31. Jänner 80, und aus diesem Anlass führen die Linzer die Elfte exakt an diesem Tag zum ersten Mal auf, und dies in der New Yorker Carnegie Hall. Gut hundert Orchestermusiker jetten mit sieben Tonnen Tourgepäck im Rahmen der dritten USA-Tournee des Klangkörpers unter der Leitung von Dennis Russell Davies über den großen Teich.

Philip Glass probt mit dem Bruckner Orchester in seinem "zweiten Zuhause" Linz auf seine Elfte.
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Wie das? Glass wohnt zwar seit langem in der Stadt, die niemals schläft. Doch als sein "zweites Heim" bezeichnet er im STANDARD-Gespräch Linz. Dennis Russell Davies, der Chefdirigent des Brucknerorchesters, ist mit Glass seit Jahren in einer künstlerischen Freundschaft verbunden. Dies führte dazu, dass The Orchestra of the State of Upper Austria, wie sich der Klangkörper im Ausland nennt, zum Auftraggeber und Uraufführungsorchester von zwei Opern (Kepler; Spuren der Verirrten) und dreier Symphonien (Nr. 8, 9 und 11) von Glass wurde. Und so fragt man Glass in Linz denn auch gleich nach der intensiven Beziehung zwischen ihm und Davies. "Er mag meine Musik", meint er lapidar und schiebt schmunzelnd nach: "Und ich liefere die Stücke pünktlich. Ich bin nie betrunken oder so." Pünktlich geliefert hat Glass auch sein neues Werk. Gut zwei Wochen vor der Uraufführung überraschte er Davies jedoch nächtens mit der Ankündigung, das Ende des dritten Satzes leider neu schreiben zu wollen.

Indischer Einfluss

Wie klingt seine Elfte nun? Wie das meiste von Glass. Spätestens seit seiner Beschäftigung mit der Musik des indischen Sitarmeisters Ravi Shankar – Mitte der 1960er – hat der Vielschreiber (über 20 Opern, elf Symphonien, zahllose Filmmusiken) sein Faible für repetitive Muster entwickelt. Ist seine Musik wegen des grenzhypnotischen Effekts erfolgreich? "Über so etwas denke ich nicht nach", meint Glass mit sanfter Stimme. Auch über seine Kompositionsweise und eventuelle Inspirationsquellen gibt er nicht einmal bruchstückhaft Auskunft.

Proben für New York: Dennis Russell Davies (li.), Philip Glass
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Toll findet Glass, dass Landeshauptmann Josef Pühringer, der betont, dass Musik wohl zum wichtigsten Exportgut dieses Landes gehöre, mit nach New York fährt. Das findet Glass' Zustimmung, und er führt die Sache weiter aus: Musik verbessere nicht nur die Lebensqualität und erfreue die Menschen, sondern: "Musik bringt auch Geld." Glass findet es bewundernswert, wie in Europa die öffentliche Hand Kunst und Kultur fördert: In den USA sei die öffentliche Unterstützung für einen Komponisten genau null.

Er selbst habe nie Unterstützung erhalten und immer gearbeitet – als Taxifahrer etwa. Erst ab Anfang 40 hat er von seiner Arbeit leben können, und das schätzt der Bienenfleißige seitdem jeden Tag. Seine Stücke hat er von Beginn an selbst veröffentlicht, denn wenn Geld davon reinkommen würde, sollte es auch ihm zufließen. "Musik ist ein Geschäft und soll auch etwas kosten. Das habe ich im Schallplattenladen meines Vaters von klein auf vor Augen geführt bekommen", erklärt Glass. Bleibt die Hoffnung, dass sich auch die Geschäftsbeziehung zwischen ihm und dem Orchester für beide als gewinnbringend erweist – finanziell und eventuell doch auch künstlerisch. (Stefan Ender, 30.1.2017)