Beim Verhandlungsmarathon traten nicht nur SPÖ und ÖVP gegeneinander an. Die Koalition, in einer Frage ausnahmsweise einig, rang mit einer Institution um Einfluss, die den Ruf einer Schattenregierung hat: Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner drängten auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, doch die Sozialpartner wollten sich dieses Metier nicht entreißen lassen.

Nach der Darstellung Christoph Leitls ist Letzeres gelungen. "Die Sozialpartner haben sich verpflichtet, innerhalb eines halben Jahres eine konkrete Lösung für die Arbeitsmarktflexibilisierung auf den Tisch zu legen", berichtete der Wirtschaftskammerpräsident dem STANDARD, das Gleiche gelte für den angepeilten Mindestlohn von 1500 Euro. Ob und wieweit die Regierung in diese Verhandlungen hineinfunken darf, wird sich weisen. Mitterlehner deutete an, dass Mitspracherechte vorgesehen seien.

Tatsächlich gehören Arbeitszeitfragen zur Erbpacht der Sozialpartner, doch die Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern haben über die Reform schon so lange ergebnislos gestritten, dass sogar ein eingefleischter Gewerkschafter wie Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) maßregelte: Statt einen "Stellungskrieg" auszufechten, müssten die Sozialpartner wieder "ins Denken kommen".

Auch in anderen Schlüsselfragen wie der Pensionsdebatte stottert die vermeintliche Konsensmaschinerie. Was die Fronten verhärtet: Auf der einen Seite fühlen sich die Arbeitnehmervertreter durch die – wie sie meinen – neoliberale Wirtschaftsordnung ins Eck gedrängt, was sie mit angriffigen Kampagnen kompensieren. Auf der anderen sehen sich die Arbeitgeber als Opfer der Steuerreform: Nach der Registrierkassenpflicht sei Unternehmern keine weitere Belastung zumutbar.

Allerdings geht Blockade auch umgekehrt: Auf eine moderne Bildungsreform etwa haben sich die Sozialpartner längst geeinigt, da sind Teile von SPÖ und ÖVP übers Kreuz. Verbindendes Element ist überdies der Glaube an die große Koalition als perfekte Basis für das eigene Schaffen. Nicht nur Leitl, auch ÖGB-Chef Erich Foglar warnt folgerichtig vor Neuwahlen: Niemand könne abschätzen, was diese bringen. (Gerald John, 30.1.2017)