Wien – Mit Ende dieses Films erinnert man sich an keine Minute, in der Kristen Stewart nicht zu sehen gewesen wäre. Der amerikanische Star ist in Personal Shopper nämlich das "personal picture" des französischen Autorenfilmers Olivier Assayas. Dieser entdeckte seine junge Hauptdarstellerin – zumindest für sich – bereits in seinem vorigen Film Clouds of Sils Maria. In diesem Vorgänger trat Stewart als persönliche Assistentin von Juliette Binoche als alternder Schauspielerin auf. Um dieser bei der Rollenvorbereitung in den Schweizer Bergen zu helfen, musste sie den Text eines amerikanischen Starlets einlesen, was schließlich zum Zerwürfnis zwischen den beiden führen sollte. Irgendwann verschwand Stewart wie ein Geist aus dem Film.

Die Nachricht aus dem Jenseits lässt in dieser Nacht auf sich warten: Hollywoodstar Kristen Stewart fungiert in "Personal Shopper" auch als Medium für den Franzosen Olivier Assayas.
Foto: Carole Bethuel

Großer Gleichmacher

In den meisten Fällen ist eine derartige Konstellation zwischen Regisseur und Schauspielerin zumindest prekär, außerdem ist Assayas nicht Josef von Sternberg und Stewart nicht Marlene Dietrich. Was soll es also bedeuten, wenn Stewart in einer langen Einstellung in Personal Shopper, schon wieder als Assistentin, aber diesmal eines deutschen Models, in deren sündhaft teures Kleid schlüpft, während auf der Tonspur die Dietrich immer lauter werdend zum Hobellied anhebt? Eine Referenz auf das Verhältnis zwischen voyeuristischem Filmemacher und glamourösem Star? Oder darauf, dass das Schicksal, wie es bei Raimund heißt, tatsächlich alle gleichmacht? Man weiß es nicht, doch man ahnt, dass jedenfalls der Tod als Gleichmacher in Personal Shopper eine ebenso große Rolle spielt wie das Geisterhafte, das dieser Szene anhaftet.

Zero Media

Sicher ist, dass Assayas als erster Regisseur den ehemaligen Twilight-Star als Schauspielerin sich selbst aussetzt und in dieser Hinsicht ernst nimmt. Das mag man gerne als Zweckgemeinschaft betrachten: ein europäischer Autorenfilm bekommt einen Star und dieser die Möglichkeit, sich zu beweisen. Aber weil auch Assayas und Stewart das wissen, ist Personal Shopper ein ziemlich bemerkenswerter Film mit dem bemerkenswerten Merkmal geworden, sich so gut wie jeder Zuschreibung zu entziehen.

Zu Beginn sieht man, wie Maureen in einer abseits gelegenen Villa eintrifft, um dort allein die Nacht zu verbringen. Nicht als persönliche Einkäuferin jener Prominenten, für die sie in Paris und London die teuersten Läden nach den teuersten Kleidern abklappert, sondern als Frau mit der Fähigkeit, Kontakt zu Toten aufzunehmen. Ihr Zwillingsbruder, zuvor an demselben Herzfehler gestorben, den auch sie hat, ist nur eine von mehreren geisterhaften Erscheinungen dieses Films.

Spiritistische Kuriositäten

Die Entfremdung von ihrem Freund, der für Maureen nur in Form von Skype-Gesprächen wie eine weitere geisterhafte, digitale Erscheinung existiert, scheint nur noch eine Frage der Zeit. Und wer verfolgt die Amerikanerin in dieser grandios montierten, an Hitchcock gemahnenden Sequenz im Zug mittels Textnachrichten im Sekundentakt? Ist diese Verfolgung nicht in Wahrheit die raffinierte Verführung einer Gefangenen in einer ihr fremden Welt? Assayas garniert solche Sequenzen, die immer wieder mittels Abblende ihr dunkles Ende finden, mit spiritistischen Kuriositäten, aber auch handfesten Schocks.

Geisterfilm, Thriller, Psychodrama, das ist Personal Shopper ebenso wie ironische Reflexion über Kapitalismus und bittere Studie über Einsamkeit. In erster Linie ist Personal Shopper jedoch ein Film über Flucht und Flüchtigkeit, der die Genreelemente dazu benutzt, um seine Hauptfigur verschiedenen Szenarien auszusetzen, ihre Reaktionen zu erforschen, sie wie auf einem Prüfstand zu beobachten und damit ihr Inneres zu entschlüsseln.

Stewart, demnächst in Kelly Reichardts Episodenfilm Certain Women und – hierzulande unverständlicherweise nicht – in Ang Lees Drama Billy Lynn's Long Halftime Walk zu sehen, hat jedenfalls als Schauspielerin und Star mit Personal Shopper einen Weg eingeschlagen, an dem sich die Geister scheiden. (Michael Pekler, 31.1.2017)