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Polens Expräsident Lech Wałęsa bestreitet, der Spitzel Bolek gewesen zu sein.

Foto: REUTERS/Kacper Pempel

Warschau/Wien – Die Debatte über die angebliche Spitzelvergangenheit von Polens Expräsident Lech Wałęsa hat am Dienstag neue Nahrung erhalten. Das Institut für Nationales Gedenken (IPN), das Pendant zur deutschen Stasi-Unterlagen-Behörde, präsentierte eine grafologische Studie, der zufolge Wałęsas Schrift identisch ist mit der eines kommunistischen Agenten mit dem Decknamen Bolek.

Die Vorwürfe, Wałęsa habe in den 1970er-Jahren für den Geheimdienst SB spioniert, gehen bis ins Jahr 1992 zurück. Wałęsa war damals gerade Staatspräsident – und stand auf einer Liste angeblicher Exspitzel, die der damalige Innenminister Antoni Macierewicz hatte zusammenstellen lassen.

Im Jahr 2000 wusch ein Gericht Wałęsa von den Vorwürfen rein, doch die Unklarheiten blieben bestehen: Acht Jahre später gab das IPN das Buch "Lech Wałęsa und die SB" heraus, das die Agententätigkeit des Expräsidenten dokumentieren sollte. Später hieß es dazu jedoch, dass der kommunistische Innenminister Czesław Kiszczak bereits in den 1980er-Jahren angebliche Beweise gegen Wałęsa habe fälschen lassen, um den damaligen Dissidenten und Vorsitzenden der Gewerkschaft Solidarność in den Augen seiner Mitstreiter zu diskreditieren.

Akten zu Hause aufbewahrt

Vor einem Jahr nahm die Causa erneut Fahrt auf: Von Kiszczaks Witwe erhielt das IPN Geheimdienstakten, die ihr verstorbener Mann zu Hause aufbewahrt hatte. Wieder fand sich darin eine Akte Bolek – alias Wałęsa, wie die aktuelle Schriftanalyse nun darlegt.

Der Friedensnobelpreisträger weist alle Vorwürfe zurück: Er sei "keine Sekunde auf der anderen Seite der Barrikade gestanden". Die Affäre ist auch von politischen Grabenkämpfen begleitet. Wałęsa ist Gegner der nationalkonservativen Partei PiS, die derzeit mit absoluter Mehrheit regiert. Antoni Macierewicz, der 1992 die erste Liste mit Bolek präsentiert hatte, ist heute Verteidigungsminister. (Gerald Schubert, 31.1.2017)