In der Studie wurde der Effekt des sozioökonomischen Status mit den Hauptrisikofaktoren verglichen, die von der WHO in ihrer globalen Gesundheitsstrategie genannt werden.

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Lausanne – Ein niedriger sozioökonomischer Status verkürzt die Lebenserwartung – ähnlich wie Bewegungsmangel. Zu diesem Schluss kommt eine internationale Studie, die nun im Fachmagazin "The Lancet" veröffentlicht wurde. Die Studienautoren fordern deshalb, dass die Bekämpfung von Armut und sozialer Benachteiligung stärker in den Fokus internationaler Gesundheitspolitik rücken müsse.

In der Metaanalyse wurden insgesamt die Daten von 1,7 Millionen Menschen aus Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, Portugal, Italien, USA und Australien ausgewertet. Den Forschern zufolge handelt es sich dabei um die erste Untersuchung, die soziale Benachteiligung mit anderen relevanten Risikofaktoren für die Gesundheit wie Bewegungsarmut, Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht beziehungsweise Adipositas und Alkoholkonsum vergleicht.

Bei den sechs Faktoren handelt es sich um Risiken, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem globalen Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten genannt werden. Ziel der WHO ist es, die damit im Zusammenhang stehenden Erkrankungen bis zum Jahr 2025 um 25 Prozent zu senken. "Der sozioökonomische Status bleibt aber als Risikofaktor unberücksichtigt", bemängeln die Forscher.

Armut vergleichbar mit Bewegungsmangel

In ihrer Untersuchung verglichen die Wissenschafter die Lebensdauer von Personen mit höherem und niedrigerem sozioökonomischem Status, wobei der zuletzt ausgeübte Beruf als zentrales Kriterium für die Klassifizierung herangezogen wurde.

Das Ergebnis: Menschen in schlechtbezahlten Jobs leben im Mittel um 2,1 Jahre kürzer als beruflich bessergestellte Personen. Der Unterschied fiel damit ähnlich aus wie im Vergleich von körperlich aktiven und inaktiven Menschen: Bewegungsmangel verkürzt die Lebenserwartung demnach im Durchschnitt um 2,4 Jahre. Am meisten Lebensjahre kosten Rauchen (4,8) und Diabetes (3,9).

Ein weiteres Ergebnis: Von den sozial Benachteiligten starben insgesamt 55.600 vor dem 85. Lebensjahr. Das waren 15,2 Prozent der Männer und 9,4 Prozent der Frauen. Im Vergleich dazu erreichten nur 25.452 der Wohlhabenden dieses Alter nicht (11,5 Prozent der Männer und 6,8 Prozent der Frauen). "Angesichts der enormen Auswirkungen des sozioökonomischen Status auf die Gesundheit ist es wichtig, dass Regierungen diesen als zentralen Risikofaktor anerkennen und ihn nicht länger aus der Gesundheitspolitik ausklammern", so Silvia Stringhini, Erstautorin der Studie.

Defizite der Studie

Armut zu vermindern, Bildung zu fördern und ein sicheres Umfeld zu Hause, in der Schule und auf dem Arbeitsplatz zu schaffen seien zentrale Maßnahmen, um die Folgen widriger Lebensumstände zu bekämpfen, heißt es in der Studie weiter.

Die Ergebnisse sollten allerdings mit Vorsicht interpretiert werden, wie die Autoren betonen: Denn die berufliche Stellung als Indikator für die sozioökonomischen Rahmenbedingungen zu nutzen sei zwar in derlei Studien üblich, bedeute aber euch eine stark vereinfachte Sicht auf sozioökonomische Einflussfaktoren. Außerdem sei es schwierig, die sozioökonomische Stellung von anderen Risikofaktoren komplett zu trennen. (red, APA, sda, 1.2.2017)