Nach Vorbild des Zivildienstes sollen Asylberechtigte und -werber gemeinnützig tätig werden.

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Wien – Im Integrationsministerium sieht man einen "Megabedarf" für gemeinnützige Tätigkeiten, "weil sie sonst keiner mehr macht". Das sagte ein Sprecher von Minister Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag dem STANDARD. Laut Regierungsprogramm sollen Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sowie Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit künftig zum "Arbeitstraining im Sinne einer gemeinnützigen Tätigkeit bei Zivildienstträgern" verpflichtet werden.

Die Arbeitspflicht soll rückwirkend auch auf Personen angewendet werden, die schon vor dem Beschluss des geplanten Gesetzes Ende März einen Asylantrag gestellt haben, erfuhr der STANDARD am Dienstag. In diesem Fall würden innerhalb kurzer Zeit zehntausende Personen verpflichtet. Exakte Zahlen wurden im Vorfeld nicht erhoben.

Rotes Kreuz spricht von 50.000 Personen

Rotkreuz-Generalsekretär Werner Kerschbaum schätzt, dass das Arbeitstraining rund 50.000 Personen ad hoc betreffen könnte – "die dreifache Menge der derzeit Zivildienstleistenden". Das Rote Kreuz ist Österreichs größter Zivildienstträger: Von insgesamt 14.500 Zivildienern sind dort etwa 4.500 beschäftigt. Wenige Plätze sind offen: 93 Prozent des Bedarfs an Zivildienern seien 2015 erfüllt worden, 2014 sogar 95 Prozent, sagte Kerschbaum. Und: Zivildiener müssten immer eingeschult und betreut werden – das sei bei der Arbeitsverpflichtung mitzudenken.

Kerschbaum kann der Idee prinzipiell aber etwas Positives abgewinnen: "Eine Tagesstruktur ist sehr wichtig." Mit dem Roten Kreuz wurden wie mit den anderen Trägern allerdings keine Vorgespräche zum Arbeitstraining und ihrem möglichen Bedarf an neuen Pflichtdienstnehmern durchgeführt.

Nicht nur Zivildienstträger

Laut Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann sollen vom Arbeitsdienst aber nicht nur bereits anerkannte Zivildienstträger – neben dem Roten Kreuz zählen Arbeitersamariterbund, Lebenshilfe und Caritas zu den größten – profitieren. Er könne sich Gemeinden vorstellen, freiwillige Feuerwehren oder Vereine. Bei Diversitätsstaatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ), die das Integrationspaket mit Kurz verhandelt hat, heißt es ebenso, "dass nicht nur die anerkannten Zivildienstträger infrage kommen, sondern etwa auch sozialökonomische Betriebe", wie Sprecher Markus Stradner dem STANDARD sagte. Laut Stradner ist "die Palette möglicher Tätigkeiten breit: Umweltschutz, Altenpflege oder Jugendarbeit".

Namentlich nennen konnten allerdings beide Sprecher keine Einrichtungen, die über die schon bestehenden Träger hinausgehen und Bedarf an der Arbeitsleistung angemeldet haben.

Vieles sei noch zu klären, sagt auch Kerschbaum: welche Arbeit wie lange geleistet werden soll, welche administrativen und personellen Ressourcen wer zur Verfügung stelle und wer was zu tun habe, wenn die Pflichten nicht eingehalten würden. Darauf drohen laut Regierungsplan Sanktionen wie der Entzug von Sozialleistungen. Er plädiert für die Einrichtung einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der Zivildienstträger, der Zivildienstserviceagentur, des AMS, mit politischen Verantwortlichen, Asylwerbern und Juristen. Außerdem schlägt Kerschbaum vor, mehr Vereine als die gut 1.200 Zivildienstträger einzubinden.

Funk: "Ausübung normaler Bürgerpflichten"

Gegen die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht übrigens "keine Bedenken", wie Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk dem STANDARD sagte. Im Sinne der "Ausübung der normalen Bürgerpflichten" könne man zu Dienstleistungen verpflichtet werden. "Wichtig ist, wie es mit der Gegenleistung aussieht", sagte Funk. Derzeit im Gespräch ist eine Entlohnung in der Höhe wie beim Zivildienst – derzeit 321,30 Euro Grundvergütung im Monat.

Eine Entschädigung in diesem Ausmaß für gemeinnützige Arbeit wäre auch für Gemeinden denkbar, sagt Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer. Kommunen können schon jetzt Asylwerber für gemeinnützige Tätigkeiten einsetzen – derzeit seien ein paar Tausend so beschäftigt, beispielsweise im Rahmen von Reinigungsaktionen oder bei Feuerwehrfesten. Das Aufstellen billiger Putztrupps für Parks soll aber nicht das Ziel der Maßnahme sein, sagte Duzdar-Sprecher Stradner.

Mödlhammer sieht zudem noch einige offene Fragen – etwa zu Sozialversicherung und Haftung. Ungeklärt ist auch noch, ob sich der Arbeitsdienst über die volle Länge des Integrationsjahres erstrecken soll. (Gudrun Springer Michael Matzenberger, 31.1.2017)