Wien – Die Abschaffung des Prinzips der Spiegelressorts ist umstritten. Die bisher gelebte Praxis, die auf keinem Gesetz beruht, sieht vor, dass jedes Ministerium ein Gegenüber hat, mit dem geplante Gesetze abgestimmt werden. Wenn sich Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) mit Innenminister Wolfgang Sobotka akkordiert, gibt es noch teilweise fachliche Überschneidungen, bei Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) ist die Querschnittsmaterie schon deutlich dünner.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) will durch die Abschaffung dieser gegenseitigen Kontrolle den Gesetzwerdungsprozess beschleunigen. Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamentarismus, sieht darin einen "gangbaren Weg", da ohnedies noch das Parlament mit den Gesetzesvorhaben befasst werden muss. Die Vorbereitungsphase durch die Spiegelminister sei nicht relevant, da im Ministerrat ein einstimmiger Beschluss gefasst werden muss, ehe ein Gesetz weitergeleitet wird.

Die Opposition begrüßt zwar diesen Schritt, fordert aber gleichzeitig eine Aufwertung des Parlaments. "Wenn schon New Deal, neuer Stil und gelebter Parlamentarismus, wie Kern sagt, dann soll er auch das Parlament und die Opposition stärker einbinden", sagt Nikolaus Scherak, Verfassungssprecher der Neos, im Gespräch mit dem STANDARD.

Pattstellung beenden

Der Nationalrat sei für die Gesetzgebung zuständig, nicht nur um Gesetze durchzuwinken. Für Scherak ist nicht nachvollziehbar, warum nicht zumindest die Bereichssprecher miteinbezogen werden. Denn derzeit sieht es danach aus, dass entweder die Regierungskoordinatoren Thomas Drozda (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP) Gesetze finalisieren oder sie gar zur Chefsache für Kanzler und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner erklärt werden.

Der Neos-Abgeordnete sieht darin eine "weitere Schwächung des Parlaments". Außerdem fordern die Neos eine Richtlinienkompetenz für den Bundeskanzler nach deutschem Vorbild. Wenn der Kanzler Weisungen an die Minister geben kann, wäre die "absurde Pattstellung der Regierung beendet". Deutlich skeptischer bewertet das Zögernitz. Der Parlamentarismusexperte sieht im deutschen Modell sogar eine Schwächung des Parlaments. Der Nationalrat könnte dann keine Misstrauensanträge gegen einzelne Minister stellen. Dabei sei das ein wichtiges Kontrollinstrument. (mte, 1.2.2017)