Jahrelang sei drauflosgebaut worden, ohne die Bedürfnisse der Bevölkerung zu kennen, meint Brinek. Sie sieht besonderen Bedarf an kleinen Wohnungen, die von allen Generationen barrierefrei genutzt werden können.

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Das Vertrauen in die Politik stehe auf dem Spiel, sagt Brinek.

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Bei Volksanwältin Gertrude Brinek landen die Beschwerden jener, die sich beim Bauen und Wohnen ungerecht behandelt fühlen. Sie fordert bessere Kommunikation und den Bau kleinerer Wohnungen.

STANDARD: Sie sind Anlaufstelle für Beschwerden aus den Bereichen Bauen und Wohnen. Um welche Themen geht es dabei oft?

Brinek: Was sich wie ein roter Faden durch die Beschwerden zieht, ist fehlende Kommunikation und mangelnde Transparenz. Wenn die Politik nicht die Verantwortung übernimmt und sich auf irgendwelche Umstände oder Beiräte herausredet, dann schadet sie sich selbst. Das merken die Menschen, man sieht das beim Heumarkt-Areal in Wien. Die Politik lässt es darauf ankommen, dass ein Investor die Zügel in die Hand nimmt. Dabei sollten Politiker vor die Bevölkerung treten und sagen: Das ist unser Plan, so wollen wir das machen – und dann wird der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan entsprechend geändert und ein transparenter Wettbewerb gestartet.

STANDARD: Wie viele Beschwerden aus diesen Bereichen landen im Jahr bei Ihnen?

Brinek: Sicher 3000, wobei nicht alle berechtigt sind. Das zeigt aber auch, wie groß das Informationsdefizit bei den Bürgern ist, was ihre tatsächlichen Rechte angeht. Auf dem Land gibt es beispielsweise immer wieder große Enttäuschungen, wenn man den Menschen sagen muss: Es gibt kein Recht auf eine bestimmte Widmung. Ist ein Grundstück von der Bauwidmung ausgenommen, wird schnell ein persönlicher Hintergrund vonseiten der Entscheidungsträger vermutet. Auch hier fehlt es an Transparenz und Kommunikation. Hier steht das Vertrauen in die Politik auf dem Spiel.

STANDARD: Und was beschäftigt die Städter?

Brinek: In Wien geht es oft um Probleme mit Wiener Wohnen, etwa um die Vorreihung auf der Warteliste für Menschen, die schon länger in Wien wohnen. Das halten wir übrigens nach wie vor für problematisch. Es geht auch um Delogierungen und Haftungsprobleme. Skurrilere Fälle gibt es auch immer wieder, beispielsweise wenn in einer Wohnung unerlaubterweise Tiere gezüchtet werden. Viele Beschwerden werden heute von Bürgerinitiativen oder von Menschen eingereicht, die sich durch das Wohnverhalten anderer gestört fühlen.

STANDARD: Das wird wahrscheinlich in einer wachsenden Stadt ein immer größeres Thema?

Brinek: Es wohnen immer mehr Menschen auf immer engerem Raum. An Nachverdichtung führt aber kein Weg vorbei. Das führt zu Konflikten: Manch einer hat sich seinen Innenhof gemütlich eingerichtet, und nun schwindet ihm der Platz. Oder im früher ruhigen Hof eines Gemeindebaus treffen sich jetzt laute Jugendlichen. Dann fühlen sich die alten Bewohner schnell in die Ecke gedrängt. Lärm ist ein großes Thema.

STANDARD: Welche Wohnungen werden denn gebraucht?

Brinek: Im Wohnbau wurde lange drauflosgebaut, ohne die Bedürfnisse zu kennen. Aber werden die großen Wohnungen und all die Balkone gebraucht? Oder finden sie nur Abnehmer, weil Alternativen fehlen? Zu große Wohnungen bedeuten, dass viele Menschen auf Mietbeihilfe angewiesen sind oder sich ihre Wohnung nur gerade noch leisten können. Es braucht kleinere, bedürfnisgerechte Wohnungen. Denn die Menschen wollen auch im Alter zunehmend zu Hause wohnen. Es sind Wohnungen gefragt, die barrierefrei sind und einfach umgebaut werden können, indem beispielsweise die Wand zwischen Bad und WC herausgerissen wird, um Platz für den Rollstuhl zu schaffen. Alle Generationen wollen heute barrierefrei wohnen und mit dem Kinderwagen genauso in die Wohnung fahren können wie mit dem Rollator. (9.2.2017)