Wohnen im üblichen Sinn hat der Vorarlberger Künstler Gottfried Bechtold hinter sich gelassen. Tagsüber lebt er mit seiner Arbeit in den beiden Werkstätten, übernachtet wird in der Wohnung seiner Frau.

"Wohnen ist ein ganz schmaler Sektor in meinem Lebenskreis, es ist kein zentrales Thema mehr für mich. Ich fühle mich als Arbeiter, und ein Arbeiter wohnt eigentlich nur, um nachher wieder arbeiten zu können. In Hörbranz habe ich ein altes Bauernhaus mit einem großen Areal, den Platz brauche ich für meine grobschlächtigen Arbeiten. Dort bin ich vor allem im Sommer.

Gottfried Bechtold ist in seinen Werkstätten daheim. Zwischen Grabskulpturen, die seine Steinmetz-Vorfahren geschaffen haben, entsteht Neues, wie die "Ready Maid" rechts.
Foto: Christian Grass

Als ich noch eine Familie mit Kindern hatte, hatten wir einen richtigen Wohntrakt. Nach 20 Jahren hat sich die Familie aufgelöst. Das Haus hat sich schnell in eine Werkstatt verwandelt, der Wohnbereich ist nur noch eine Notschlafstelle. Das Atelier hat das Wohnen quasi aufgefressen.

Das Haus war ein Low-Budget-Projekt. Ich hab es zwischen 1970 und 1975 mit dem Architekten Walter Holzmüller zusammen renoviert. Heute bekannte Architekten wie Carlo Baumschlager und Roland Köb haben als Studenten mitgearbeitet. Wir haben nur Gebrauchtteile verwendet, alles mit Eigenschmalz. 50.000 Schilling hat das ganze Haus gekostet, ist aber im Architekturlexikon vom Achleitner zu finden. Seither hab ich aber die Schnauze voll vom Bauen. Ich mag heute nicht mal mehr eine Wasserhahndichtung auswechseln. Verkopfen, ob eine Wand rot oder weiß gemalt werden soll, ob man einen neuen Teppich braucht – das will ich alles nicht mehr.

Ich hab die Hotelphilosophie. 14, 15 Stunden am Tag arbeite ich, manchmal bis 22 Uhr. Nach der Arbeit setze ich mich ins Auto und fahre nach Dornbirn, ins Hatlerdorf und wohne bei meiner Frau Sylvia. Dort gehe ich schlafen, und in der Früh fahre ich wieder in die Werkstatt. In der Wohnung in Dornbirn stehen nur ein paar Dinge von mir, ein kleines Radio zum Beispiel. Fernseher brauch ich keinen, der kostet nur Zeit. Ich bin ja auf meinem Lebensflug in der Descendphase, im Landeanflug. Da geht man mit der Zeit anders um, verbringt sie bewusster.

Zu meinem Hotelleben gehört das vollkommen luxuriöse Mittagessen bei meiner Stiefmutter. Luxuriös, weil sie so eine Superköchin ist. Sie wohnt zwischen Werkstatt und Bürowohnung im ersten Stock. Dank der beiden Frauen bin ich schmerzbefreit von alltäglichen Überlebensmechanismen. Das ist ein Privileg ohne Ende.

Ich war um die 60, als ich in das Elternhaus in der Eichholzstraße in Bregenz zurückgekehrt bin, in das Haus, das ich mit 15 verlassen habe. Ich wollte nicht, dass das Haus abgerissen wird. So zahl ich jetzt quasi Miete bei der Hypobank. Wo mein Vater seinen Schauraum für Grabsteine, Treppen und andere Arbeiten hatte, ist jetzt mein Schaulager und Zeichenraum.

Am großen Tisch wird auch gegessen und getrunken. Ganz oben habe ich eine Wohnung, total provisorisch, die läuft so auf Standgas. Im Sommer wohnen dort die Kinder und Enkelkinder, wenn sie ein paar Wochen in Bregenz sind. Die Enkelkinder dürfen bei mir fast alles machen. Manchmal geht was kaputt. Macht nichts, es ist ja genug da.

Im Hof zwischen Haus und Werkstatt tollen die Kinder, dort wird aber auch getrunken und gegessen. Der Hof ist grindig, aber meine Gäste mögen diese Atmosphäre. Mein Lieblingsplatz ist die große Werkstatt mit dem hängenden Dachstuhl. Erbaut wurde sie als Pferderemise. Später hat unter dem Dach Rudolf Wacker Akte gemalt. Mein Vater hatte dort seine Steinmetzwerkstatt, ein paar seiner Maschinen verwende ich immer noch. Wenn ich in der Früh hereinkomme, in diesen Geruch nach Gips und Öl, dann fühle ich mich daheim." (6.2.2017)