Die ATV-Redaktion, hier Martin Thür vor dem TV-Duell zur Bundespräsidentenwahl, warnt vor einem Verlust der Meinungsvielfalt.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Donnerstagabend signalisierte die Wettbewerbsbehörde grünes Licht für den Deal: ProSiebenSat1Puls4, schon heute größter privater Fernsehkonzern in Österreich, könne ATV voraussichtlich übernehmen.

"Die vorgeschlagenen Auflagen der Zusammenschlusswerber erscheinen geeignet, die wettbewerbsrechtlichen Probleme und die Themen zur Medienvielfalt zu lösen", ließ die Behörde verlauten. Behördenchef Theodor Thanner zeigte sich "zuversichtlich", dass der Deal mit Auflagen freigegeben werden könne.

Die Journalistinnen und Journalisten von ATV scheinen da nicht so sicher: Am Freitag schickten sie Behördenchef Thanner, Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) und den Mediensprechern der Parlamentsparteien einen warnenden Brief.

"Kritische Stimme verlieren"

"Dieser Verkauf könnte auch wesentliche Auswirkungen auf die Medienvielfalt in Österreich haben" ist nur die vorsichtige Einleitung: "Ein möglicher Verkauf unseres Senders könnte einen massiven Verlust an Meinungsvielfalt in diesem Land bedeuten." Und: "Der sehr kleine Fernsehmarkt in Österreich würde eine kritische Stimme verlieren, einen Innovationsmotor, der viel für die Vermittlung von Politik in Österreich getan hat."

Nur Vielfalt von Redaktionen sichere Vielfalt an Meinungen, schreiben die ATV-Journalisten Medienpolitikern und Behördenchef: "Dies zu garantieren ist Ihre Aufgabe. Wir appellieren an Sie, Ihrer Verantwortung in den kommenden Wochen nachzukommen und die Medien- und Meinungsvielfalt in diesem Land nicht leichtfertig zu opfern."

Auflagen zum Deal

Die Wettbewerbsbehörde hat angekündigt, die mit ATV-Eigentümer Herbert Kloiber und Käufer ProSiebenSat1Puls4 ausgehandelten Auflagen mit der Anmeldung des Deals zu veröffentlichen. Binnen 14 Tagen können sich betroffene Unternehmer dazu äußern – etwa Interessenten, die nicht zum Zug kamen, wie die Mediengruppe Österreich, Mediaprint/Krone/Kurier und die Gratiszeitung Heute. Kloiber verhandelt nur mit ProSiebenSat1Puls4.

Mögliche Auflagen wären Vorgaben für österreichische Produktionen, über weiter fünf Nachrichtensendungen pro Tag, die unabhängig von ProSiebensSat1Puls4 produziert werden, über ein gesichertes Mindestbudget für ATV oder auch für ein Sendermanagement ohne weitere Funktionen bei ProSiebenSat1Puls.

Mit einer formellen Anmeldung der Übernahme ist nach den Ankündigungen der Behörde in diesen Tagen zu rechnen. Binnen vier Wochen hat sie zu entscheiden, ob sie den Deal mit Auflagen durchwinkt oder ob sie den Verkauf von ATV an ProSiebenSat1Puls4 doch vor das Kartellgericht bringt. Solche Verfahren dauern üblicherweise jedenfalls ein Jahr.

Der Appell im Wortlaut:

"Wie Sie sicherlich den Medien entnommen haben, sondiert ATV-Eigentümer Herbert Kloiber zur Zeit einen Verkauf unseres Senders. Zahlreiche Interessenten wurden in den Medien genannt, jedenfalls muss die Bundeswettbewerbsbehörde einen möglichen Kauf prüfen. Dieser Verkauf könnte auch wesentliche Auswirkungen auf die Medienvielfalt in Österreich haben.

Unsere Redaktion ist für die meistgesehenen täglichen Nachrichten im Privat-TV genauso verantwortlich, wie für die Informationssendung mit den meisten Seherinnen und Sehern in der Geschichte des österreichischen Privatfernsehens. Wir informierten 2016 Tag für Tag 362.000 Menschen* in fünf Sendungen von ATV Aktuell, die Sendung ist damit mit großem Abstand Privat-TV-Marktführer in allen Bevölkerungsgruppen. Außerdem beweisen wir mit dem mehrfach ausgezeichneten Polit-Talk "Klartext" und den Wahlsendungen von "ATV Meine Wahl", wie sich Politikberichterstattung weiterentwickeln lässt. Wir berichten hart in der Sache, aber stets fair im Ton, sind eine eigenständige, selbstbewusste Redaktion, die die Politik in die Pflicht nimmt und unabhängig und ausgewogen informiert.

Ein möglicher Verkauf unseres Senders könnte einen massiven Verlust an Meinungsvielfaltin diesem Land bedeuten. ATV wurde laut einer Studie der RTR 2015 über die "Qualität des tagesaktuellen Informationsangebots in den österreichischen Medien" auf Platz 4 von 33 deruntersuchten Medien gereiht, weil wir besonders viele Akteure zu Wort kommen lassen. Der sehr kleine Fernsehmarkt in Österreich würde eine kritische Stimme verlieren, einen Innovationsmotor, der viel für die Vermittlung von Politik in Österreich getan hat. Nur eine Vielfalt an Redaktionen sichert eine Vielfalt an Meinungen, dies zu garantieren, ist Ihre Aufgabe. Wir appellieren an Sie, Ihrer Verantwortung in den kommenden Wochen nachzukommen und die Medien- und Meinungsvielfalt in diesem Land nicht leichtfertig zuopfern.

Mit freundlichen Grüßen, die Journalistinnen und Journalisten von ATV." (red, 3.2.2017)