Was Donald Trump kann, kann Wolfgang Sobotka schon lange. Wie der US-Präsident lässt auch der österreichische Innenminister im Moment keine Gelegenheit aus, um durch noch schärfere Forderungen Medienpräsenz zu ergattern. Dazu scheint ihm jedes Mittel recht zu sein, selbst wenn es gegen Grundrechte verstoßen könnte. Sobotka arbeitet an einer Profilschärfung der ÖVP, die im Wettlauf mit FPÖ und auch SPÖ noch stärker als Sicherheitspartei wahrgenommen werden soll. Ob die diversen Maßnahmen wie Einschränkung des Demonstrationsverbots, Fußfessel für Gefährder, Überwachung internetbasierter Kommunikation oder Ausweitung der Videoüberwachung rechtlich durchführbar sind, ist zunächst nicht so wichtig. Hauptsache, das Thema bleibt präsent, egal wie "gacki" es sein mag. Hauptsache, die strenge Miene des Niederösterreichers bleibt im Bild.

Der Vorschlag zur Einschränkung der Demonstrationsfreiheit kam nicht zufällig vor dem jährlichen Protest gegen den Akademikerball. Der Innenminister versucht hier in Richtung ÖVP-Klientel damit zu argumentieren, dass völlig unbeteiligte Wirtschaftstreibende durch eine große Demonstration Einbußen in Kauf nehmen müssen. Das könne man dem Handel nicht zumuten.

Diese Problematik gibt es natürlich. Ein Kaffeehausbesitzer kommt unschuldig zum Handkuss, wenn er im abgesperrten Bereich Kunden verliert. Allerdings muss das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit über diesen wirtschaftlichen Interessen stehen. Letztere liegen auch nicht in der Kompetenz des Innenministers, der sich auf seinen Aufgabenbereich konzentrieren sollte. Er ist bei und vor heiklen Veranstaltungen wie dem Akademikerball dafür zuständig, so deeskalierend wie nur irgendwie möglich zu agieren. Mit der Überlegung eines Demonstrationsverbots heizt aber der Oberverantwortliche für die Sicherheit die Stimmung an. Das ist eine Provokation in Richtung Gegendemonstranten und ein weiterer Seitenhieb in Richtung Koalitionspartner SPÖ, der sich schon einmal gegen derartige Pläne ausgesprochen hat.

Das Argument Sobotkas, dass man "Spaßdemonstrationen" eher verbieten oder einschränken könne, ist ebenfalls ein sehr heikles. Wo zieht man die Grenze? Wären dann auch die Regenbogenparade, der Hanfwandertag, Faschingsumzüge oder Maiaufmärsche einzuschränken? Natürlich nicht.

Knapp eine Woche nach der Präsentation des gemeinsamen Regierungsprogramms erreicht Sobotka mit derartigen Ansagen, dass die ÖVP die politische Themenhoheit übernimmt. Die SPÖ hat ihr das auch leichtgemacht. Wenn es stimmt, was Sobotka im ORF-Report gesagt hat, dann dauerte die Verhandlung zum Sicherheitspaket mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nur kurze zwei Stunden. Verschärfungspläne, die in der SPÖ in der Vergangenheit noch für einen riesigen Aufschrei gesorgt haben, sind jetzt paktiert und locken höchstens noch SJ-Chefin Julia Herr vor das Bundeskanzleramt. Da hat Sobotka leichtes Spiel.

Die Regierung schreibt in ihrem Arbeitsprogramm richtigerweise, dass "das Schaffen und Sichern von individuell empfundener Sicherheit eine fundamentale Aufgabe der Politik" sei. Mit kaum umsetzbaren Forderungen und Pseudodebatten über Kopftücher und Kreuze sorgt man allerdings eher für Unsicherheit – auch was den Fortbestand der großen Koalition betrifft. (Rainer Schüller, 3.2.2017)