Wie man fachgerecht eine Leiche entsorgt, hat der behütete und behütende Spadino (Giacomo Ferrara) bereits gelernt.

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Wien – Nicht nur wer Hass sät, wird Gewalt ernten. Auch wer am Strand von Ostia ein Grundstück besitzt und nicht gewillt ist, dieses zu veräußern, muss damit rechnen, dass vom potenziellen Käufer mit Nachdruck auf die Un terzeichnung gedrängt wird. Der Lokalmatador "Numero 8" (Alessandro Borghi), der unlängst hier die Geschäfte übernommen hat, setzt bei seinen Überredungskünsten auf die Wirkkraft eines kiloschweren Hammers.

Der italienische Filmemacher Stefano Sollima setzt in seinem Mafiathriller Suburra wiederum auf die Wirkkraft solcher Szenen, um schrittweise den Druck nicht nur auf seine Figuren zu erhöhen. Wie von einem mörderischen Strudel werden sie unaufhaltsam in die Tiefe gezogen, während man selbst ihren Untergang bereits als ihre Bestimmung betrachtet. Denn was man als Titel des ersten Ka pitels zu lesen bekommt, nimmt das Kommende endgültig vorweg: "5. 11. 2011. Noch sieben Tage bis zur Apokalypse."

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Wie sich diese für praktisch alle Beteiligten abzeichnet und mit welcher Konsequenz sie herbeigeführt wird, das ist das eigentliche Kunststück dieses Films. Sollima, der sich mit der Fernsehserie Gomorrha, nach der Vorlage von Roberto Saviano, einen Namen gemacht hat, erweist sich nämlich als überaus versierter Erzähler, der die verschiedenen Handlungsstränge so lange miteinander verknüpft, bis der Knoten reißt.

Samurai mit Brille

Mit dem ersten Bild kehrt der Papst der Welt buchstäblich den Rücken zu, während im römischen Parlament über einen Antrag zur Umwidmung von lukrativen Grundstücken vor den Toren der Stadt abgestimmt wird. Über ein Gesetz, dass dem korrupten Abgeordneten Malgradi (Pierfrancesco Favino) zupasskommt, weil er es sich zur Aufgabe gemacht hat, für ausreichend viele Befürworter zu sorgen – selbstverständlich gegen entsprechende Entlohnung durch die "Familien aus dem Süden", wie sein Verbindungsmann (Claudio Amendola) formuliert. Dieser ist ein graumelierter, älterer Herr mit Brille, den sie dennoch "Samurai" nennen und der diesen Namen dank seiner Kaltblütigkeit auch verdient. Mit der Prostituierten, die Malgradi mit einer Überdosis im Hotel zurücklässt, will nur der Jungmafioso Spadino (Giacomo Ferrara) zwecks Erpressung zu tun haben.

Das bietet genug Erzählstoff für knapp mehr als zwei Stunden, und Sollima nützt jede Minute davon, wenn er die einzelnen Kapitel – jeder neue Tag wird zum Countdown – dramatisch zuspitzt. Obwohl sich Suburra stilistisch an klassischen amerikanischen Vorbildern des Mafiafilms orientiert, entwickelt dieser Film einen ei genständigen Blick auf die Verhältnisse, indem er sich auf alle Schichten richtet, vom Junkie bis zu den Scheinheiligen im Vatikan. Und damit auf einen Filz aus Wirtschaft und Politik, wo man sich auf Kosten jener bereichert, die von Beginn an keine Chance haben; und auf die Gier jener, die ihre Interessen und Pfründen mit Gewalt absichern und dafür auch einmal über Leichen gehen.

Suburra hat sich jedenfalls als Empfehlung auch für Stefano Sollima erwiesen: Mit dem starbesetzten Solidado, dem Sequel des erfolgreichen Actionthrillers Sicario, ist der Italiener mittlerweile in den USA angekommen. Dort gibt es bekanntlich ja auch Verbrecher zuhauf. (Michael Pekler, 4.2.2017)