Bukarest – In Rumänien haben am Freitagabend Zehntausende Menschen landesweit den vierten Tag in Folge gegen die sozialliberale Regierung demonstriert. Auslöser der Proteste ist eine Eilverordnung, die die Justiz bei der Verfolgung von Korruption einschränkt. Zugleich wuchs der Druck auf die Regierung durch eine dritte Verfassungsklage gegen diese Verordnung und durch Kritik aus dem eigenen Lager.

In Bukarest füllte sich erneut der gut einen Hektar große Platz vor dem Regierungsgebäude mit Demonstranten. In mindestens 14 weiteren Städten kam es zu Massenkundgebungen. Bei vielen dieser spontanen Demonstrationen sangen die Menschen lautstark die Nationalhymne. Eine Koordinierung im Hintergrund war nicht erkennbar, die Menschen verabredeten sich weitgehend über die sozialen Netzwerke. Offizielle Angaben zur Teilnehmerzahlen gab es nicht.

Am Freitag reichte auch der Ombudsmann für Bürgerrechte, Victor Ciorbea, beim Verfassungsgericht Klage ein – nach der Justizaufsichtsbehörde CSM und Präsident Iohannis. Ciorbea wechselte damit das Lager. Er stand bisher der Regierung nahe. Die umstrittene Verordnung sieht vor, dass Amtsmissbrauch nur noch dann strafrechtlich verfolgt wird, wenn die Schadenssumme mindestens 200.000 Lei (rund 45.000 Euro) beträgt.

Staatspräsident Klaus Iohannis sagte in am Rande des EU-Gipfels auf Malta, er sei "sehr besorgt", aber auch optimistisch, dass es zu einer Lösung dieser Krise kommen werde, auch mit Unterstützung der Demonstranten. "Ich vertraue meinen Rumänen", betonte er. Für ausländische Investoren bestehe trotz der Krise keine Gefahr, so Iohannis.

Bürgerkonflikt

Der Vorsitzende der rumänischen Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea, sagte indes am Samstag, er schließe nicht mehr aus, dass die umstrittene Verordnung zur erschwerten Strafverfolgung von Amtsmissbrauch zurückgenommen wird. Er wolle Ministerpräsident Sorin Grindeanu Lösungen zur Beendigung des innenpolitischen Konflikts vorschlagen, sagte Dragnea, der faktisch die Regierung leitet, am Samstag dem PSD-freundlichen Nachrichtenportal "dcnews.ro". "Eventuell kann man sogar über eine Annullierung der Eilverordnung sprechen, falls der Premier das akzeptiert."

Dragnea begründete seinen Sinneswandel damit, dass Anhänger der PSD eine Gegendemonstration gegen die Regierungskritiker planten. Er wolle verhindern, dass "Rumänen mit Rumänen in Konflikt geraten", da zu erwarten sei, dass "fast eine Million" PSD-Anhänger auf die Straße gehen. Der "verantwortungslose" Iohannis habe auf eine Spaltung Rumäniens hingewirkt, sagte Dragnea weiter.

Iohannis hatte mit Nachdruck verlangt, dass Grindeanu die umstrittene Verordnung zurückzieht und eine Verfassungsklage gegen die Neuregelung eingereicht. (APA/dpa, 4.2.2017)