Bis zur letzten Woche waren sich SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser (links) und ÖVP-Chef Christian Benger einig: Der Pakt zur neuen Verfassung hält. Plötzlich überlegte es sich Benger anders und sprang ab.

Foto: APA/Eggenberger

Klagenfurt – Kaum beginnt sich das Land Kärnten mit viel Ach und Weh von der schweren Erblast des ehemaligen Landeshauptmannes Jörg Haider samt dem Hypo-Desaster zu lösen, kommt neues Ungemach auf das Bundesland zu.

Die Dreierkoalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen droht zu zerbrechen, Kärnten steht an der Schwelle zu vorgezogenen Landtagswahlen. Und dies wegen eines einzigen Satzes in der neuen Verfassung, in dem die slowenischsprechende Bevölkerung als gleichberechtigt erwähnt wird.

Es geht um die schlichte Formulierung "Die Fürsorge des Landes und der Gemeinden gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen". Die ÖVP, die diese Passage ursprünglich mitbeschlossen hat, fordert nun, dass dieser Satz wieder aus der Verfassung rausmüsse.

"Historischer Pakt"

Die Kärntner Dreierkoalition aus SPÖ, Grünen und ÖVP hatte sich im Herbst 2015 nach monatelangen intensiven Diskussionen auf eine neue, moderne Verfassung geeinigt. Es war ein "historischer Pakt", den die drei Parteien mit einigem Pathos in einer gemeinsamen Pressekonferenz präsentierten. Das gemeinsame Wollen musste nur noch in ein Gesetz gegossen und im Landtag beschlossen werden. Die Begutachtungsfristen miteingerechnet, sollte die neue Verfassung nun Anfang 2017 im Landtag beschlossen werden.

Die Kernpunkte des Drei-Parteien-Paktums fixieren die Abschaffung des Proporzes und eben das ideologisch lange Zeit heikelste Thema in Kärnten, die Zweisprachigkeit. Diese sollte – nach Jahrzehnten des Zwistes – in der neuen Verfassung unverrückbar dokumentiert werden.

Überraschender Absprung der ÖVP

Nun aber sprang ÖVP-Chef Christian Benger völlig überraschend ab und erklärte Ende letzter Woche in der Kärntner Krone, er stehe nicht mehr zur Einigung. Die Bevölkerung und Kärnten habe ihm zu erkennen gegeben, dass sie mit dieser slowenischen Passage nicht einverstanden seien, diese treibe "einen Keil" in die Bevölkerung.

Es bestehe ohnehin "kein Grund, die Volksgruppenrechte zusätzlich in der Landesverfassung zu verankern, denn diese sind in der Bundesverfassung klar ausreichend geregelt", versucht der ÖVP-Chef seinen Rückzieher zu argumentieren. Näheres will Benger am Montag in einer Pressekonferenz erklären.

Bruch des Koalitionsabkommens

Die Regierungspartner SPÖ und Grüne fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Der Schwenk Bengers bedeute natürlich einen Bruch des Koalitionsabkommens. Und plötzlich stehen Neuwahlen im Raum, zumal die Basis der Koalition auseinandergebrochen ist.

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ist baff: "Ich kenne keinen einzigen Grund, warum man gegen einen solchen Satz, der noch dazu dem Artikel 8 der Bundesverfassung nachempfunden ist und vor allem eins zu eins dem Vorschlag der ÖVP entspricht, irgendetwas haben sollte. Es ist eine Verfassungsreform, die ein Gesamtwerk ist und bei der es nicht darum geht, nach Befindlichkeiten einzelne Passagen herauszustreichen."

In der SPÖ glauben etliche an einen größeren Plan, den die Kärntner mit der Bundes-ÖVP ausgeheckt haben könnte.

Affäre um Landeshauptmann Kaiser

Dass just zum Zeitpunkt, als Benger den Pakt aufkündigte, wieder die "Top Team"-Affäre" aufgepoppt sei, sei kein Zufall. Die Staatsanwaltschaft hat, wie jetzt bekannt wurde, die Ermittlungen abgeschlossen.

In der Causa "Top Team" geht es um den Vorwurf der Untreue gegen Peter Kaiser und andere SPÖ-Politiker sowie gegen einige Mitarbeiter. Über Scheinrechnungen soll bei der parteieigenen Werbeagentur Top Team Geld aus jenem Referat, dem Kaiser damals politisch vorstand, "geparkt" worden sein.

"Kaiser herausschießen"

Die ÖVP versuche Kaiser "herauszuschießen", um sich in Neuwahlen, die eventuell mit Bundeswahlen akkordiert sein könnten, einen Vorsprung zu sichern, wird in SPÖ-Kreisen gemutmaßt,

Grünen-Chef Landesrat Rolf Holub glaubt an solche Verschwörungstheorien nicht. Er vermutet hinter dem Benger-Absprung eigentlich keine so große Strategie, sondern schlicht einen "Überlebenskampf Bengers" an der Parteispitze.

Die ÖVP stehe in allen Umfragen dramatisch schlecht da, Benger versuche, "sein Leiberl zu retten", zumal zwei seiner Abgeordneten angekündigt hätten, gegen die Verfassung zu stimmen. Ein schwarzer Machtkampf auf Kosten des Landes, sagt Holub. (Walter Müller, 5.2.2017)