Seit einem Jahr fährt Ester Ledecka im Skiweltcup. Zuletzt schaffte sie mit Platz 13 in Garmisch ihr bestes Ergebnis.

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Im Snowboarden ist Ester Ledecka Weltklasse. Vor zwei Jahren war sie Weltmeisterin, im Weltcup gewann sie achtmal, davon zweimal in diesem Winter.

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Ester Ledecka hat zwei große Lieben. Das Skifahren und das Snowboarden. Auf eine verzichten? Kommt nicht infrage. Ledecka hatte einen großen Traum: es in beiden Sportarten auf ein Top-Niveau zu schaffen. Seit vergangenem Winter fährt sie im Snowboardweltcup und im Skiweltcup. Das hat noch niemand vor ihr geschafft. Sie springt quasi zwischen beiden Sportarten hin und her, nebenher bestreitet sie noch Fis-Rennen.

Stressig? "Es ist okay, weil ich Spaß habe." Zwischen Anfang Dezember und Ende Jänner bestritt die 21-jährige Tschechin 18 Rennen: vier im Snowboardweltcup, sechs im Skiweltcup und acht Alpin-Fis-Rennen. Zum Vergleich: Die Slowenin Ilka Stuhec kam im selben Zeitraum auf 16 Rennen – wechselte dabei aber nie die Sportart.

Der Wechsel von einem Brett auf zwei Bretter fällt Ledecka schwerer als umgekehrt. "Am Anfang muss ich mich beim Skifahren sehr konzentrieren, damit ich nicht auf dem Innenski ausrutsche." Eigentlich sind es zwei komplett unterschiedliche Sportarten, die Ledecka kombiniert. Aber in manchen Punkten kann sie von der einen Disziplin für die andere profitieren.

"Beim Skifahren ist alles schneller." Ledecka bestreitet im Weltcup die Speed-Disziplinen. Keine noch so schwere Piste kann ihr daher beim Alpinboarden Angst einflößen. Und das Gefühl für die Schwünge im Snowboard hilft ihr wiederum beim Skifahren.

Vor einem Jahr debütierte Ledecka im Skiweltcup und fuhr in Garmisch prompt in die Punkteränge (Platz 24 in der Abfahrt). Vor zwei Wochen fuhr sie am selben Ort ihr bisher bestes Weltcupergebnis ein: Platz 13 in der Abfahrt. Eine Woche später gewann sie den Snowboard-Parallelriesentorlauf in Rogla. Es war ihr zweiter Saisonsieg. Die Parallel-Gesamtwertung führt die Vorjahressiegerin an, obwohl sie die beiden Parallelriesentorläufe in der Vorwoche in Bansko verpasste.

Volles Programm

Den nächsten Snowboardweltcup wird sie auch verpassen. Ledecka ist wieder einmal auf zwei Brettern unterwegs. Und erstmals bei einer Skiweltmeisterschaft. In St. Moritz hat sie sich ein dichtes Programm vorgenommen. Aber das ist sie ja gewohnt. Am Dienstag bestreitet sie den Super-G, am Freitag die Kombination, am Sonntag die Abfahrt und nächste Woche will sie noch im Teambewerb und in der Qualifikation für den Riesentorlauf antreten.

Wie alle anderen Rennen will sie auch die WM-Rennen "genießen". Zu den Medaillenkandidatinnen zählt sie eher noch nicht. Aber für eine Überraschung könnte sie gut sein. Wie in Zauchensee, als sie die absolut Schnellste im Abfahrtstraining war.

Im Snowboard ist sie es gewohnt, die Nummer eins zu sein. Acht Weltcuprennen hat die Pragerin schon gewonnen, 2015 war sie auf dem Kreischberg Weltmeisterin im Parallelslalom. Heuer steigt die WM in der Sierra Nevada. Ledecka wird, so alles nach Plan läuft, dabei sein. Es war ihr großes Saisonziel, bei beiden Weltmeisterschaften anzutreten. Nächstes Jahr möchte sie bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang doppelgleisig fahren.

Gegen den Rat von Trainern

Die frühen Erfolge im Snowboard haben nichts an ihrem Traum geändert. Und es gab viele auf ihrem Weg, die ihr geraten haben, sich auf eine Sportart zu konzentrieren. Auch Trainer. "Aber jetzt habe ich mein Team, das sehr gut mit mehr kooperiert." Das Team besteht aus einem Ski-Trainer, einem Snowboard-Trainer, einem Servicemann und einem Physiotherapeuten. Finanzieren kann sie das geradeso. "Ich habe die Sponsoren- und Preisgelder aus dem Snowboard ins Skifahren investiert." Der tschechische Verband hilft ihr nicht viel. Auch der ist nicht von Ledeckas Doppelgleisigkeit begeistert.

Die Doppelgleisigkeit ergab sich früh. Ihre Eltern hatten im Winter ein Chalet in Spindlermühle, dreijährig lernte sie dort Ski fahren, fünfjährig Snowboarden. Zunächst war sie eine Freestyle-Boarderin, mit 13 wechselte sie zum Alpin-Boarden. "Ich habe immer beides parallel gemacht. Ich habe Spaß an beiden Sportarten, ich habe Spaß, sie zu kombinieren."

Für die Trainings werden üblicherweise alle Bretter eingepackt. Trainiert wird in Blocks: etwa zwei Tage Snowboard und fünf Tage Ski. "Ich muss immer dazwischen snowboarden, um das Gefühl nicht zu verlieren." Sie versucht, für beide Sportarten gleich viel zu trainieren.

Geteilte Zeit

Die Spezialistinnen trainieren jeden Tag für eine Sportart. Ledecka: "Ich muss meine Zeit teilen. Das ist ein Handicap, aber ich habe es mir so ausgesucht." Könnte sie also im Skifahren noch erfolgreicher sein, würde sie sich darauf konzentrieren? "Viele sagen ja. Aber wenn ich nur eines machen würde, könnte es sein, dass ich nicht so viel Spaß daran hätte. Vielleicht wäre es mir zu langweilig."

Langeweile wird in den kommenden zwei Wochen nicht aufkommen. Und auch danach nicht. Wie lang Ledecka noch beide Sportarten parallel machen will, weiß sie nicht. "Wir werden sehen. Wenn ich weiterhin an beidem Spaß habe, werde ich weitermachen." (Birgit Riezinger aus St. Moritz, 5.2.2017)