Kabul – Mit rund 11.500 Toten und Verletzten hat die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. 3.498 Zivilisten seien getötet und 7.920 verletzt worden, was einem Anstieg um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspreche, teilten die Vereinten Nationen am Montag mit. Darunter seien auch immer mehr Kinder.

Unter anderem haben die Anschläge der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) deutlich zugenommen: Die Opferzahl durch IS-Angriffe hat sich im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht. Insgesamt gingen 61 Prozent der zivilen Opfer den Vereinten Nationen zufolge auf regierungsfeindliche Gruppen wie die radikalislamischen Taliban und den IS zurück. 22 Prozent der Opfer gingen auf das Konto afghanischer Sicherheitskräfte, zwei Prozent auf das internationaler Sicherheitskräfte. Der Rest sei oft nicht eindeutig zuzuordnen.

Laut Uno gab es zunehmend Selbstmordattentate etwa in Moscheen. Zudem seien seit 2009 noch nie so viele Menschen in Afghanistan durch Luftangriffe getötet oder verletzt worden. Auch würden Schulen und Krankenhäuser zunehmend für militärische Zwecke eingesetzt.

Die Vereinten Nationen schreiben den Taliban mindestens 4.953 zivile Opfer zu, dem IS mindestens 899. Durch Selbstmordanschläge kamen im vergangenen Jahr die meisten Menschen seit Erhebung der Uno-Statistik im Jahr 2009 ums Leben.

Viele Kinder unter Opfern

Die Zahl der in Afghanistan getöteten und verletzten Kinder stieg dramatisch: 3.512 Kinder seien 2016 dem neu aufgeflammten Krieg zwischen Taliban und afghanischer Regierung zum Opfer gefallen, heißt es in dem Uno-Jahresbericht. Das sind 24 Prozent mehr als im Vorjahr. Fast jedes dritte Opfer sei nun ein Kind.

Die Vereinten Nationen machen dafür vor allem die Zunahme von Gefechten in dicht besiedelten Gebieten mit vielen Familien verantwortlich. Erheblich mehr Kinder seien deshalb auch durch explosive Überbleibsel von Kämpfen wie nicht detonierte Munition zu Schaden gekommen (plus 65 Prozent). Außerdem sei die Zahl der Opfer durch die vor allem von Taliban gelegten improvisierten Sprengsätze (IEDs) um vier Prozent gestiegen. Auch internationale und afghanische Luftschläge hätten mehr als doppelt so viele Kinder getötet oder verletzt wie im Vorjahr (200 Kinder).

Insgesamt sind laut Uno-Bericht im vergangenen Jahr 11.418 Unbeteiligte getötet oder verletzt worden – ein Anstieg von drei Prozent gegenüber 2015. Die Zahl der Verletzten sei um sechs Prozent gestiegen (auf 7.920 Menschen), die Zahl der Toten um zwei Prozent zurückgegangen (auf 3.498 Menschen).

Unter den Frauen ist die Zahl der Opfer leicht gesunken (minus zwei Prozent). Allerdings weisen die Vereinten Nationen "besorgt" daraufhin, dass die Taliban Frauen weiterhin in Selbstjustiz für vermeintlich unmoralisches Verhalten bestraften – ein Trend, der sich laut Menschenrechtsaktivisten seit etwa zwei Jahren stetig verschärft.

Außerdem habe es sehr viel mehr gezielte Morde an Frauen gegeben (plus 25 Prozent). Viele weibliche Opfer seien Menschenrechtsaktivistinnen, Polizistinnen oder generell "im öffentlichen Leben" aktiv gewesen.

Süden am stärksten betroffen

Am stärksten vom Krieg betroffen waren 2016 die Zivilisten im Süden des Landes, wie es in dem Bericht weiter heißt. Den größten Anstieg von Opfern (plus 34 Prozent) verzeichne aber Zentralafghanistan, vor allem wegen vieler Selbstmordanschläge in der Hauptstadt Kabul.

Insgesamt kamen die meisten Zivilisten durch Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften zu Schaden. Zweitgrößte Todesursache waren die von Taliban gelegten IEDs.

Seit Beginn der Uno-Zählung 2009 sind mindestens 70.188 Zivilisten getötet oder verletzt worden. Angesichts des schrumpfenden Zugangs zu Provinzen wiesen die Vereinten Nationen darauf hin, dass ihre Zahlen möglicherweise zu niedrig seien. (APA, 6.2.2017)