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Vermisste Personen nach dem Unglück in Bangladesch im Mai 2013.

Foto: AP/Ashraful Alam Tito

Als vor vier Jahren in Bangladesch eine Textilfabrik einstürzte und mehr als 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter zu Tode kamen, beherrschte die Situation der Näherinnen und Näher globaler Konzerne die Titelseiten Europas. Seit damals steht ihre Situation in den Ländern des globalen Südens immer wieder im Fokus der europäischen Aufmerksamkeit – allerdings nur dann, wenn wieder Arbeiterinnen und Arbeiter an den unmenschlichen Arbeitsbedingungen vor Ort zugrunde gegangen sind.

Doch warum müssen Menschen an der Produktion von Waren krank werden oder daran sterben? Schlechte Produktionsbedingungen, niedrige Umweltstandards und Ressourcenverschwendung sind kein unumstößliches Naturgesetz. Es gilt jene Mechanismen freizulegen und zu ändern, die ein gedeihliches globales Zusammenleben verhindern: Die Situation in Bangladesch ist eine Folge bewusster politischer Entscheidungen für deregulierte und liberalisierte Märkte.

Die große Transformation transformieren

Der österreichische Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi erkannte schon 1944 in "The Great Transformation", dass Marktmechanismen ohne soziale Einbettung zu sozialer Instabilität und ökologischen Probleme führen. Beispiele von Bangladesch bis zum Golf von Mexiko (Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon) bestätigen seine Annahme. Die Linzer Ökonomen Jakob Kapeller, Bernhard Schütz und Dennis Tamesberger stellen dazu fest: "Die Tendenz der moralischen Erosion zeigt sich besonders stark im internationalen Handel."

Die drei sind es auch, die einen konkreten Vorschlag liefern, wie man ethische Standards in internationale Wirtschaftsbeziehungen implementieren kann. Sie schlagen vor, die vermeintlich freien zu zivilisierten Märkten umzugestalten – indem eine neu zu gründende "Europäische Aufsichtsagentur für Handelswaren" sicherstellt, dass auf dem europäischen Markt nur jene Produkte zugelassen werden, bei deren Herstellung arbeits-, umwelt- und menschenrechtliche Standards eingehalten wurden. Die moralische Verantwortung, welche Güter man kauft, wird also nicht wie bisher auf einzelne Konsumenten abgewälzt, sondern gemeinschaftlich organisiert.

Klar ist: Auch hier gilt es Synergien zu nutzen und die Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Institutionen und NGOs wie etwa der Internationalen Arbeitsorganisation ILO oder den Fair-Trade-Labels zu suchen, um einen nachhaltigen Standard und entsprechende Anforderungen für Produkte, die in Europa gehandelt werden, einzuführen. Ziel ist es, das Gewicht, das der gemeinsame europäische Binnenmarkt hat, in die Waagschale zu werfen, um so multinationalen Konzernen die Stirn bieten zu können, die die Ausbeutung von Menschen in Ländern des globalen Südens sowie Raubbau an der Umwelt ignorieren oder gar für den eigenen Profit in Kauf nehmen. Vielleicht gehören dann Meldungen wie jene aus Bangladesch künftig einmal der Vergangenheit an. (Georg Hubmann, Klaus Baumgartner, 10.2.2017)