Ferdinand von Schirachs "Terror" am Landestheater Salzburg.

Foto: Anna-Maria Löffelberger / Landestheater Salzburg

Salzburg – In Terror, dem Debütdrama und Erfolgsstück des deutschen Autors und Strafverteidigers Ferdinand von Schirach, das am Samstag am Landestheater Salzburg Premiere feierte, werden die Zuschauer zu Schöffen. Entschieden wird am Ende über Schuld oder Unschuld eines Luftwaffenmajors (Gregor Schleuning), wobei der interaktive Zugang ebenso beliebt ist wie das Thema des Abends aktuell: die Terrorangst.

Dementsprechend diskutiert das Publikum in der Pause und vor der "Urteilsverkündigung" untereinander intensiv über das verhandelte moralphilosophische und juristische Dilemma: Der Eurofighterpilot schießt ein von einem Terroristen entführtes Flugzeug ab, das auf die vollbesetzte Münchner Allianz-Arena zusteuert. Alle Passagiere sterben. Wie in den allermeisten bisherigen Aufführungen wurde der Offizier auch in Salzburg vom Publikum freigesprochen.

Der fiktive Stoff hat reale Hintergründe. Das 2005 von der deutschen Regierung beschlossene Luftsicherheitsgesetz wurde ein Jahr später vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt, weil die Abschussermächtigung gegen das Grundrecht auf Leben und die Garantie der Menschenwürde verstoße. Im Stück hat der Pilot eigenmächtig entschieden – ein Gesetzesbruch, der den Tabubruch widerspiegelt, als sich Minister dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entgegenstellten. Dürfen Menschen zu reinen Objekten staatlichen Handelns gemacht werden? Schirach selbst würde den Luftwaffenoffizier im Übrigen schuldig sprechen.

Eva Musil hat sich für eine sparsame Ausstattung der Gerichtssaalbühne entschieden. Der israelischen Regisseurin Dedi Baron bleibt wenig Spielraum für inszenatorische Einfälle. Setting wie Story scheinen Nüchternheit und Sachlichkeit zu erfordern. Eine Vorgabe, der die Darsteller nur bedingt nachkommen: Nikola Rudle als Nebenklägerin und Frau eines beim Abschuss getöteten Mannes darf starke Emotionen zeigen – dem Laienrichterpublikum imponierten diese wenig.

Was bleibt, ist ein zwiespältiges Gefühl mit etlichen offenen Fragen: Tatsächlich wurde in Deutschland versucht, die Publikumsentscheidungen zugunsten des Piloten politisch zu instrumentalisieren. Rechtfertigt man so den Gesetzesbruch im Namen der Terrorbekämpfung? Sollen wirklich Laienrichter diese Themen entscheiden? Um es mit Brecht zu sagen: Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen. (Gerhard Dorfi, 6.2.2017)