Wien – 51,1 Prozent der Gesamtbevölkerung sind weiblich. Inzwischen sind fast sechs von zehn Maturanten junge Frauen. Sie bilden auch die Mehrheit an Österreichs Universitäten und schließen ihr Studium häufiger erfolgreich ab. Im österreichischen Parlament beträgt der Frauenanteil 30,6 Prozent. Die Regierung hat 14 Mitglieder. Wie viele davon Frauen? Drei. "Mit herkömmlichen Methoden funktioniert gar nichts. Wollen wir mehr Frauen in der Politik, brauchen wir Quoten und Sanktionen für alle, die sie nicht einhalten", sagt Gisela Wurm, SPÖ-Frauensprecherin im Nationalrat.

Derzeit wird im Parlament eine Wahlrechtsreform verhandelt, für die verschiedene Quoten- und Anreizmodelle diskutiert werden. "Sozialdemokratisches Ziel ist es, die gläserne Decke endlich ganz zum Einsturz zu bringen. Der effektivste Weg, das zu erreichen, wäre über eine Änderung der Wahlordnung", sagt Gesundheits- und Frauenministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) zum STANDARD. Sie kann sich mehrere Varianten vorstellen, Vorbilder gebe es im EU-Ausland: In Frankreich würden Parteien finanziell bestraft, wenn sie die Quote nicht einhalten. In Belgien dürften Parteien mit Wahllisten, die den vorgesehenen Frauenanteil nicht erfüllen, zu Wahlen gar nicht antreten.

Die konkrete Umsetzung müsse aus Sicht der Ministerin aber im Parlament passieren. Wurm möchte dort eine mehrstufig steigende Frauenquote durchsetzen. "Anfangen könnte man mit einem verpflichtenden Frauenanteil von 35 Prozent", sagt die rote Frauensprecherin. Schließlich sei für einen solchen Beschluss eine Verfassungsänderung – also eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat – notwendig. Es müssten also gleich mehrere Parteien überzeugt werden. In Folge brauche es aber eine Erhöhung der Quote auf zuerst 40 Prozent und schließlich eine Halbe-halbe-Regelung. "Die Parteiförderung muss an diese Quoten gekoppelt werden. Weniger Frauen heißt weniger Geld. Sonst wird die eine Hälfte der Bevölkerung nie entsprechend repräsentiert werden", sagt Wurm.

"Backlash" im Parlament

Darüber hinaus spricht sie sich dafür aus, dass die Listen der Parteien mit Namen möglicher Mandatare für den Nationalrat zur Hälfte mit weiblichen Kandidaten bestückt werden müssen. Wird diese Vorgabe nicht erfüllt, solle die Wahlbehörde den Listenvorschlag nicht zulassen. "Derzeit erleben wir sogar einen Backlash. Es saßen schon mehr Frauen im Parlament als heute. Deshalb müssen jetzt endlich klare Verhältnisse geschaffen werden", ist Wurm überzeugt. Der Bund solle als Vorbild dienen, damit die Länder später nachziehen.

Tatsächlich engagieren sich auf Landes- und Gemeindeebene noch weniger Frauen in der Politik: Die Anzahl der Bürgermeisterinnen steigt zwar kontinuierlich an, österreichweit sind aber bloß 141 der 2100 Ortschefs weiblich.

Kanzler Christian Kern (SPÖ) bei der roten Bundesfrauenkonferenz im Sommer 2016.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Die SPÖ-Frauen sind mit ihren Forderungen nicht allein. Unmut über die herrschenden Verhältnisse gibt es auch innerhalb der ÖVP. "Ich würde mich gar nicht mit einer 35-Prozent-Regelung aufhalten", sagt Dorothea Schittenhelm, Chefin der ÖVP-Frauen. Eines sei klar: "Will man Frauen in der Politik, braucht es eine Quote." Wie die SPÖ spricht sich auch Schittenhelm dafür aus, dass die Wahlbehörde einschreiten soll, wenn eine Partei bei der Listenerstellung nicht das Reißverschlusssystem anwendet.

Reißverschluss versus Vorzugsstimme

In der ÖVP ist dies seit 2015 bei der Erstellung von Bundes- wie auch Landeswahllisten Pflicht. Allerdings wurde auch am Vorzugsstimmen-Modell festgehalten. Sprich: Die Reihenfolge kann bei der Wahl noch gehörig neu durchmischt werden. "Zumindest werden Frauen nun so gereiht, dass sie sichtbar und auch auf wählbaren Plätzen sind", sagt Schittenhelm. Auch die SPÖ besetzt in der Theorie nach Reißverschlusssystem und hat sich zusätzlich eine Quote von 40 Prozent Frauenanteil im Parlament verordnet – erfüllt diese aber nicht.

In einem Punkt weicht Schittenhelm von den Vorstellungen der SPÖ-Abgeordneten Wurm ab. Anstelle von Sanktionen will sie lieber von "Anreizen" sprechen. Im Kern bleibt die Botschaft aber die Gleiche: Mehr Parteienförderung für jene Parteien, die viele Frauen in ihrer Riege haben.

Für Lopatka Quote kein Thema

Mit den Klubchefs von SPÖ und ÖVP habe es schon Gespräche über diese frauenpolitischen Vorhaben gegeben, sagt Schittenhelm, nur "ist es dabei geblieben". Im Büro von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka wird allerdings festgehalten, dass eine Frauenquote bei den aktuellen Verhandlungen zu einem neuen Wahlrecht kein Thema sei.

Warum Frauen in der Politik bis heute so unterrepräsentiert sind? Wurm antwortet mit einem Zitat von Johanna Dohnal, der sozialdemokratischen Ikone der Frauenrechtsbewegung: "Mehr Frauen in der Politik bedeutet gleichzeitig weniger Männer." Die rote Frauensprecherin fügt an: "Und die wehren sich." (Peter Mayr, Katharina Mittelstaedt, 7.2.2017)