Adidas erlebt derzeit einen Höhenflug. Wie hat man das geschafft? ...

Fotos: Juergen Teller

... zum Beispiel, indem man auf Imagebilder wie jene von Juergen Teller setzt.

Foto: Adidas/ Jürgen Teller

Sneakers des Begehrens: Superstar BOOST, Stan Smith Mid, NMD_R1 OG, YEEZY BOOST 350, Tubular Doom PK (im Uhrzeigersinn). Dazwischen Outfits by XbyO und unten von Gosha Rubchinskiy.

Fotos: Adidas

Es war eine Hochzeit wie aus einem modernen Märchen: Ein distinguierter Adeliger ehelicht einen hippen Nachwuchspopstar. Beide wissen, diese Verbindung macht sie unschlagbar. Ihr Marktwert steigt als Paar ins Unermessliche. Er eignet sich über sie Street-Credibility an, sie verkehrt plötzlich in noblen Kreisen.

Die Rede ist von der aktuellen Kooperation zwischen dem altehrwürdigen französischen Luxuslabel Louis Vuitton und der coolen amerikanischen Skatermarke Supreme, die gerade in Paris eine gemeinsame Herrenkollektion für Herbst/Winter 2017 vorgestellt haben. Spätestens seit diesem Schachzug ist jedem in der Branche klar: Die schon seit Jahren virulente Fusion von High Fashion und Sport- und Streetwear ist gekommen, um zu bleiben.

Der X-Faktor

Das Zusammenspiel zwischen High und Low ist eine Zauberformel der Gegenwart. Am besten, man bringt Limited Editions auf den Markt, die verkaufen sich noch rasanter.

Supreme x Louis Vuitton ist dabei nur der Höhepunkt einer Tendenz, die uns noch länger begleiten wird. Kein Wunder: Der X-Faktor bringt Geld, er bindet junge, kaufkräftige Kundschaft an Traditionshäuser und zeichnet Sportlabels mit einem Ritterschlag aus. Finanziell profitieren beide Parteien von der Frischzellenkur.

Vor ein paar Jahrzehnten war Sportkleidung noch Sportkleidung. Man kaufte Sneakers, Trainingsanzüge und Skateboards in Fachgeschäften und nicht in schicken Boutiquen. Als Joschka Fischer sich 1985 in ausgelatschten, weißen Nike-Turnschuhen zum hessischen Umweltminister vereidigen ließ, war das ein Skandal. Mittlerweile würde niemand mehr darüber schreiben, Sneakers sind alltagstauglich geworden und vom Parlament bis zum Burgtheater nicht mehr wegzudenken. Athleisure nennt sich der neue Trend, der auch die Trainingshose wieder salonfähig gemacht hat.

Kaum eine Fashion-Week, bei der sich die bekanntesten Streetstyle-Stars nicht mit den aktuellsten Turnschuhmodellen und luxuriösesten Sportswear-Klamotten ablichten lassen. Angesagte Hoodies und It-Shirts sind mittlerweile so teuer, dass sie allein durch den Preis bereits High Fashion sind.

"Die Modemagazine sind schon seit längerer Zeit voll mit Sneakers, und wir wissen, der Trend zu Street- und Sportswear wird auch in Zukunft nicht abbrechen. Das sind absolute Wachstumsmärkte, bestätigt uns auch die Marktforschung", sagt Jochen Bauer, der Direktor von Adidas Originals und Adidas Neo. Die deutsche Traditionsmarke, 1949 in Herzogenaurach gegründet, scheint im Moment die zentrale Anlaufstelle für kreative Quereinsteiger zu sein, vor allem für Musiker, die zwar wenig Erfahrung, dafür aber einen großen Namen und viele Fans mitbringen.

Aufregung um Yeezy

Und mitunter auch ein großes Ego: Der als schwierig bekannte US-Rapper Kanye West, der seine Modeambitionen kurzfristig bei Nike auslebte, aber bald im Streit schied, scheint sich bei Adidas wohlzufühlen.

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Kanye West 2015 während der Präsentation seiner Yeezys in New York
Foto: ap/Bebeto Matthews

Seine Yeezy Boosts sorgen noch immer für Aufregung, Jugendliche übernachten vor den Shops, um ein Paar zu ergattern. "Die Yeezy-Schuhe sind sehr limitiert. Kommerziell ist das eine kleine Nummer. Aber die Marke Adidas wird dadurch cool aufgeladen. Und Kooperationen wie diese machen uns einen Schritt mutiger in unseren Designs", erklärt Bauer die Strategie.

Die wenigsten besitzen Yeezy-Sneakers, aber man redet darüber. Sogar die weltweit verkauften Fakes machen indirekt Werbung für die Marke. Der Schuh sticht aus der Menge heraus, er ist anders. Im Moment zerbrechen sich Mode- und Rap-Fans den Kopf, wann die bereits in Fotos geteaserte Adidas-x-Yeezy-Calabasas-Kollektion in den Shops landet. West trägt seine Entwürfe meist schon viel früher, als sie offiziell vermarktet werden. Auch das erzeugt einen Hype in den sozialen Medien, von dem Adidas immens profitiert.

Keine Limits

"Wir geben den Kreativen ganz viel Raum. Unser Motto: Es gibt nichts, das nicht geht. Es macht keinen Sinn, Limits zu setzen, wenn man etwas Neues entwickeln möchte." Sänger Pharrell Williams wollte 2015 auf einen Schlag 50 Farben des Superstar-Sneakers, eines Reloads des 1969 entwickelten Basketballschuhs, auf den Markt bringen. "Die Kunden haben uns für verrückt gehalten. Aber er hat sich sehr gut verkauft", erinnert sich Bauer.

Ganz neu ist diese Fusion von Sportswear, Fashion und Musik nicht. In den 1980er-Jahren war Adidas in amerikanischen Hip-Hop-Kreisen überaus beliebt. Das Rap-Trio Run DMC brachte 1986 sogar den Song "My Adidas" heraus. Adidas war aber auch ein Pionier in Sachen modeaffiner Zusammenarbeit. Bereits ab 2003 setzte man auf Kooperationen mit dem japanischen Avantgarde-Designer Yohji Yamamoto. Alexander Wang, Stella McCartney, Rick Owens, Juun.J und Raf Simons folgten. Als Marktführer Nike noch verstärkt Promis aus der Sportwelt als Markenbotschafter engagierte, holte Adidas bereits Designer und Popstars ins Boot. Gerade hat Adidas eine weitere Kooperation, die längerfristig gedacht ist, lanciert: mit dem russischen Wunderknaben Gosha Rubchinskiy.

Der Apple-Effekt

Es liegt auf der Hand, was es einem Sportlabel bringt, in der Modewelt angesagt zu sein. Man könnte es den Apple-Effekt nennen. Im Grunde unterscheiden sich Computer vom technischen Können nicht sonderlich, aber Apple gelang es, seine Elektrogeräte als Lifestyle-Produkte hip zu machen. Adidas fährt eine ähnliche Strategie. Das Streetwear- und Modesegment macht im Sportmarkt zwar nur fünf bis zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus, aber wer hier erfolgreich ist, strahlt auf den Rest der Produkte ab, macht die Marke gerade für eine junge Käuferschicht begehrenswerter.

Adidas, die einst kleine Firma aus der deutschen Provinz, ist ein weltweit agierendes Imperium geworden, mit über 57.000 Angestellten in 160 Ländern. 2015 betrug der Umsatz rund 17 Milliarden Euro. Adidas betreibt 2722 Geschäfte rund um den Globus, bis 2020 sollen noch 500 bis 600 dazukommen. Den Erfolg auf dem Fashion-Markt verdankt das Label aber auch seiner Betriebsstruktur. Man arbeitet in kleinen kreativen Einheiten, die relativ unbürokratisch funktionieren, freies, verrücktes Denken wird in zahlreichen "Creative Farms" gefördert. Ein Leading-Team, inklusive des globalen Designchefs, ist in die amerikanische Hipster-Metropole Portland gezogen, um den US-Markt besser bearbeiten und das Konsumverhalten studieren zu können. Nike verkauft zwar um einiges mehr als Adidas, scheint in seiner Betriebsstruktur aber verkrampfter und unflexibler zu sein.

Guter Riecher

Überhaupt hat Adidas gerade einen guten Riecher, welche Retromodelle wieder auf den Markt geworfen werden. Mit dem Stan Smith, einem Tennisschuh, der 1971 entstand, löste die Marke einen Hype aus. Der Smith dominierte in den letzten Jahren sowohl in den U-Bahnen als auch auf den Fashion-Weeks.

Der Stan Smith, getragen von Stanley Roger "Stan" Smith bei den French Open im Vorjahr.
Foto: apa/afp/medina

Dass die Schuhe unisex verkauft wurden, also die ganze Bandbreite an Größen, ist als Strategie sicher auch nicht verkehrt. Früher gab es viele interessante Modelle nur für Männer, die als klassische Sneakers-Sammler galten. Aber auch das hat sich verändert, seitdem High Heels von Turnschuhen Konkurrenz bekommen haben. Gerade erleben die Adidas EQT Running, die Ende der 1980er-Jahre entwickelt wurden, einen Relaunch.

Die Zahlen geben Adidas recht: Für das Geschäftsjahr 2016 liegen zwar noch keine offiziellen Zahlen vor, laut Insidern wurden die Gesamtjahresprognosen aber viermal erhöht. Der Nettogewinn soll um 15 Prozent, der Umsatz um 20 Prozent gestiegen sein. Um dieses Wachstum zu halten, muss allerdings auch das Problemkind Reebok, das 2005 von Adidas gekauft wurde, zulegen. Auch da soll die Mode helfen: Das französische It-Label Vetements brachte kürzlich ein Reebok-Modell heraus, das aussieht, als wäre es selbst bemalt worden. Der Schuh kostete immerhin an die 600 Euro und war in wenigen Minuten online ausverkauft. Der X-Faktor hat wieder einmal zugeschlagen. (Karin Cerny, RONDO, 14.2.2017)