Die Wahlniederlage 1970 war für die ÖVP, die ein Vierteljahrhundert lang Kanzlerpartei gewesen war, ein Schock. Aber es gab einen Trost: Immerhin waren die Schwarzen damals mit weitem Abstand die Partei, die die meisten Bürgermeister stellte. Und so tröstete man sich mit dem Slogan: "Der Weg zum Ballhausplatz führt über die Gemeinden." Gute kommunalpolitische Arbeit würde die Österreicherinnen und Österreicher schon spüren lassen, dass die Volkspartei eine schwarze Alternative zur roten Politik von Bruno Kreisky zu bieten hätte. Oder, als das nicht klappte, zu der von Fred Sinowatz. Zu der von Franz Vranitzky. Und schließlich zu der von Viktor Klima.

Dass Klima 30 Jahre später doch durch Wolfgang Schüssel abgelöst wurde, war mehr Schüssels Verhandlungstaktik als der Unterstützung aus den Gemeinden zu verdanken. Dort stellten die Schwarzen 1999 weiterhin die Mehrheit der Bürgermeister – und sie tun das noch heute in rund zwei Dritteln der Kommunen.

Nach der Wahl in Graz und der weniger beachteten, für die Volkspartei aber noch erfolgreicheren Wahl in Waidhofen an der Ybbs (wo ein sattes Plus von 12,8 Prozentpunkten eingefahren wurde) ist in der ÖVP die alte Hoffnung wieder da: Ja, wenn alles so gut laufen würde wie in diesen Gemeinden, dann könnte Sebastian Kurz ins Kanzleramt einziehen.

Oder sogar Reinhold Mitterlehner.

Aber es läuft für die ÖVP eben nicht alles so gut wie auf Gemeindeebene. Das hat damit zu tun, dass in Gemeinden, auch in sehr großen wie Graz oder Wien, ein ganz unmittelbares Politikerlebnis stattfindet: Bürger nehmen viel eher wahr, wenn die Gemeindestraße Schlaglöcher hat, als wenn im Bundeshaushalt ein Loch ist. Sie nehmen Kommunalpolitiker in die Pflicht – sind aber auch bereit, sie zu belohnen, wenn es erkennbar gut läuft.

Ein Blick auf die Grazer KPÖ zeigt das deutlich: Die hat sich über Jahrzehnte vor allem mit dem Thema Wohnbau profiliert – und wird wegen ihres klaren kommunalpolitischen Profils auf Gemeindeebene gewählt. Am Sonntag kam sie auf 25.645 Stimmen, bei der Landtagswahl 2015 aber wählten nur 9917 Grazer kommunistisch. Man kann also nicht über die Gemeinden Stammwählerschaften in großem Umfang aufbauen.

Vielleicht kann man Menschen daran gewöhnen, ab und zu einmal eine Partei zu wählen, die sie sonst nie wählen würden – ein Effekt, auf den die Wahlmanager von FPÖ und Grünen nach der Bundespräsidenten-Stichwahl hoffen; wobei die tatsächliche Wirksamkeit dieses Effekts noch nicht bewiesen ist. In Graz hat er offenbar nicht besonders stark gewirkt.

Der starke personenbezogene Aspekt von Kommunalwahlen mag es schwer für die Parteien machen, Stimmen mitzunehmen. Stimmungen dagegen kann man allemal nutzen – und wenn Parteien es klug anstellen, dann nutzen sie die gute Stimmung dafür, Strukturen von Freiwilligen aufzubauen, die dann eben auch bei anderen Wahlen genutzt werden können.

Die ÖVP kann in Graz bürgerliches Selbstbewusstsein einüben – und vielleicht kann die Wiener Stadtpartei bei den Grazern etwas davon abgucken.

Die Bundespartei kann die Stimmung mitnehmen, um sich – nach einer Reihe landespolitischer Rückschläge und bundespolitischem Zweifeln – zu vergewissern, dass Erfolge ja doch möglich sind. Nur den direkten Weg von den Gemeinden ins Kanzleramt, den wird sie nicht finden. (Conrad Seidl, 7.2.2017)