Auch das jüngste Dots-Outlet auf der Mariahilfer Straße beweist Mut für exaltiertes Design.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Hauptthema ist Vietnams typisches Frühstück, die legendär aromatische Knochensuppe Pho.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ist schon wieder zwölf Jahre her, dass der damals kaum 19-jährige Anh Tuan "Martin" Ho der Wiener Szene einen Sushi-Fantasytempel namens Dots vor die Nase setzte und die Stadt mit einem Schlag um Reispatzeln mit Schnitzel, Erdäpfelpüree und/oder Liptauer bereicherte. Kulinarisch mag das gemeingefährlich gewesen sein, ästhetisch aber war das Lokal bemerkenswert: Ho bastelte mit den Designern Michael Stor und Alexander Riegler aus einem fensterlosen Nichtort im Hinterhof eines Bürohauses eine auf Hochglanz lackierte, funkelnd exotische Lifestyle-Destination. Das wog den Anschlag auf die Geschmackspapillen zumindest kurzfristig auf.

Seit ein paar Monaten ist im Stammhaus übrigens alles neu. Das Dekor gibt sich jetzt noch mal ein Eck heftiger und erinnert über weite Strecken an ein albtraumhaft exklusives Splatter-Movie-Set. Für einen Abend in dieser Geisterbahn sollte man Toleranz für Duftkerzen aufbringen – die Penetranz, mit der einem die schon beim Eingang entgegenwabern, wehrt mutmaßlich sogar Zombies ab.

Küche der vietnamesischen Heimat

Längst hat der junge Unternehmer eine Reihe weiterer Lokale und Clubs auf- und zum Teil auch wieder zugesperrt, mit stets lautstarkem Gestaltungswillen bei Design und Architektur ebenso wie bei der Medienarbeit. Allein die Qualität des Essens scheint mit Ausnahmen, wie dem Intermezzo von Punks-Koch Patrick Müller in Hos Mitglieder-Lokal "X" auf der Wollzeile, nicht wirklich im Mittelpunkt der Bemühungen zu stehen.

Vielleicht war das der Grund, warum Ho sich so lange Zeit gelassen hat, die angesagte Küche seiner vietnamesischen Heimat in seinen Lokalen zu verankern. Das ist seit vergangener Woche anders: Pünktlich zum Têt-Fest (dem vietnamesischen Pendant zum chinesischen Neujahr) sperrte er auf der Mariahilfer Straße ein mit zahllosen bunten Lampions dekoriertes Mini-Lokal auf. Neben der kleinen Küche finden nur ein Tisch, ein paar Hocker und zwei schmale Bords an den Wänden Platz. Hauptthema ist Vietnams typisches Frühstück, die legendär aromatische Knochensuppe Pho.

Zimt, Sternanis, Nelke

Es gibt sie in den Varianten Rind und Huhn, was an der Theke deutlich kommuniziert wird: Je ein Gastrokübel mit grau gesottenem und in Scheiben geschnittenem Rind und zerfitzeltem Hendlfilet warten da, als Garnitur über den Suppenschüsseln verteilt zu werden. Auch die Reisnudeln, bis an die Zerfallgrenze weich gekocht, geraten wenig überzeugend. Dafür überrascht die Suppe mit vollem Aroma und mittels Zimt, Sternanis, Nelke sowie Fenchel klassisch ins Weihnachtliche akzentuierter Würzkraft. Die separat servierten Kräuter bieten neben Koriander und Thai-Basilikum auch den hierzulande seltenen, langblättrigen, vietnamesischen Koriander (Rau ram) mit seinem angenehm pfeffrigen Aroma. Dass die Sojasprossen schon am zweiten Tag nach dem Aufsperren faulig waren, macht hingegen wenig Freude.

Neben Pho gibt es Frühlings- und Sommerrollen, wobei Erstere zwar sauber frittiert sind, aber seltsam muffig miachtelnde Fleischfülle in sich bergen. Bei den rohen Reisteigrollen sorgt dafür reichlich Minze in der Fülle für vergleichsweise frische Anmutung. Mehr vietnamesisch ist aber nicht: Den Rest der Karte bestreiten die aus dem Stammhaus bekannten Dim Sum – eh ordentliche Convenience-Ware aus dem Tiefkühler, wie der Dots-Chefkoch auf Nachfrage bestätigt. Dass das Pho-House-Personal sie aber partout als selbstgemacht verkaufen will, verstimmt. Konzentration auf tatsächlich vietnamesisches Essen wäre zwar etwas mehr Arbeit gewesen, hätte derlei Peinlichkeiten aber hintangehalten. (Severin Corti, RONDO, 10.2.2017)

Update vom 5.4.2017: >> Keine Convenience-Ware


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